Verdächtiger Mörder ausgeforscht: "So kommt keiner auf die Welt"
Eine extreme Bluttat wirft Fragen auf. Der KURIER bat Psychiaterin Sigrun Roßmanith um Antworten.
Ein 16-Jähriger soll ein siebenjähriges Mädchen erstochen haben. Gibt es dafür eine Erklärung?
Sigrun Roßmanith: Erst vor Kurzem gab es den Zwischenfall in Mistelbach, bei dem ein 19-Jähriger mit einer Schrotflinte einen Schüler angeschossen haben soll. Vielleicht ist das ein Zeichen der Zeit. Es ist jedenfalls erschreckend.
Laut Ermittlern war der mutmaßliche Täter einfach nur wütend. Es hätte auch jeden anderen treffen können.
Bei solchen Fällen liegt eine Verrohung der Gefühle nahe. Gefühllosigkeit und fehlende Beseelung – zu sich selbst wie auch zur Umwelt. Das kann verschiedene Gründe haben, aber so kommt niemand auf die Welt. Es ist fehlendes Mitgefühl, fehlende Drosselung negativer Impulse. Man muss die eigene Stimmung abreagieren.
Der 16-Jährige soll bei der Schilderung der Tat kaum Emotionen gezeigt haben.
Die sachliche Schilderung hat mich erstaunt. Auch die abstrakte Sprache – er würde anderen Menschen mit einem Minus, also negativ begegnen. Das ist ein destruktiver Bezug zur Umwelt und rührt häufig von einer inneren Leere her. Das Gefühl zu haben, nirgendwo dazuzugehören. Taten setzen zu müssen, um sich selbst zu spüren. Solche drastischen Vorfälle gab es immer wieder. Etwa beim ersten Schul-Amoklauf in den USA. Die 16-jährige Täterin erklärte damals: „I don’t like mondays.“
Tschetschenen gelten als gewaltbereit. Kann das damit zu tun haben?
Das kann man auf diesen Fall nicht anwenden. Es gibt schwere seelische Auffälligkeiten, die erst durch ein schweres Delikt sichtbar werden.
Aber ein Kind zu töten?
Bei solchen Taten ist immer ein gewisses Machtgefühl dabei. Naheliegend, dass es auch entsprechende Gewaltfantasien vorab gab. Wenn man Grenzen überschreiten muss, um sich zu spüren – ein Kind zu töten, ist dann aber eine noch viel höhere Schwelle.