Chronik/Wien

Tochter jahrelang gequält: "Religiöse Hintergründe nicht ausgeschlossen"

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien sind am Samstagabend ein 53-jähriger Mann und seine um ein Jahr jüngere Ehefrau in Wien-Döbling unter dem Vorwurf fortgesetzter Gewaltausübung festgenommen worden.

Sie sollen ihre Tochter, die bis zuletzt bei ihnen gelebt hatte, jahrelang misshandelt haben, teilte die Landespolizeidirektion am Sonntag mit. Die 23-jährige Frau hatte zuvor die Eltern auf einer Polizeiinspektion zur Anzeige gebracht.

Die Betroffene dürfte seit ihrer Kindheit unter dem strengen Regime ihrer Eltern gelitten und Gewalt erfahren haben. Wie Polizeisprecher Philipp Haßlinger auf APA-Anfrage mitteilte, soll sie seit rund zehn Jahren regelmäßig geschlagen und gequält worden sein.

Demütigungen und Schläge

Verbale Demütigungen standen offenbar auf der Tagesordnung. Der Vater soll dem Mädchen bzw. der jungen Frau strafweise Ohrringe vom Ohrläppchen gerissen oder die Tochter mit einem Gürtel gezüchtigt haben, wenn sie nicht seinen Vorgaben und Wertvorstellungen entsprach. Sie soll auch für mehrere Tage in die Wohnung gesperrt und ihrer Freiheit beraubt worden sein.

"Es ist nicht auszuschließen, dass religiöse und ideologische Hintergründe eine Rolle gespielt haben", meinte Haßlinger. Die Eltern sind formell staatenlos, stammen aber ursprünglich aus Afghanistan. Die Tochter wirft den beiden auch vor, sie habe unter Androhung von Gewalt für sie Kredite bei einer Bank aufnehmen müssen.

Eltern in Haft

Die Eltern bestreiten die wider sie erhobenen Anschuldigungen. Sie wurden nach den Beschuldigteneinvernahmen durch die Kriminalpolizei in die Justizanstalt Josefstadt gebracht.

Ermittelt wird neben fortgesetzter Gewaltausübung und Freiheitsentziehung auch in Richtung schwere Erpressung und schwerer Nötigung. Das LKA, Außenstelle West, führt die weiteren Ermittlungen. Die 23-Jährige befindet sich mittlerweile in einem Frauenhaus.

Ob über die Eltern die U-Haft verhängt wird, ist noch offen. Über allfällige Anträge der Staatsanwaltschaft würde das Landesgericht für Strafsachen vermutlich am Montag entscheiden.

Die Wiener Polizei sieht sich als Ansprechpartner für Personen, die Gewalt wahrnehmen oder selbst Opfer von Gewalt sind.

Der Notruf ist unter der Nummer 133 jederzeit erreichbar. Die Kriminalprävention des Landeskriminalamt Wiens bietet darüber hinaus persönliche Beratungen unter der Hotline 0800-216346 an.

Weitere Ansprechstellen sind die Frauenhelpline (0800-222555) sowie die Wiener Interventionsstelle/Gewaltschutzzentrum (0800-700217), Opfer-Notruf: (0800-112112) und der Notruf des Vereins der Wiener Frauenhäuser (057722).