Chronik/Wien

Street Art: In Wien blühen die Wände

Drei Tage lang hat Mehsos von früh bis spät an seinem Werk gearbeitet. Jetzt ist das "dekonstruierte Gesicht", wie er es beschreibt, bei den Stadtbahnbögen der U-Bahnstation Gumpendorfer Straße in Wien-Mariahilf zu sehen. Er ist extra aus Belgien angereist, um in Wien zu malen. Immer mehr Streetartists zieht es in die Bundeshaupstadt. Dort finden sie legale Flächen für ihre Kunst.

Thomas Grötschnig dokumentiert die heimische Szene und bringt nun ein Buch darüber heraus. Er hat auch Mehsos geholfen, Kontakt mit der Agentur iOnart herzustellen, die ihm eine Wand organisiert hat.

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"Wien ist unglaublich dynamisch. Ich habe vier Jahre in Madrid, Berlin und Rom gelebt und als ich letztes Jahr zurückgekommen bin, hab ich sofort gemerkt, dass sich sehr viel getan hat", erzählt Grötschnig. Im Ausland hat er viele Künstler kennengelernt und sich intensiv mit Streetart auseinandergesetzt. In Wien hat er dann begonnen, die Kunst im öffentlichen Raum zu fotografieren. "Irgendwann hatte ich ein Archiv mit Hunderten Bildern und dachte, dass es schön wäre, sie zu teilen. Also habe ich sie bei sozialen Medien hochgeladen, wo sich schnell viele Menschen dafür interessiert haben", sagt er.
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Detaillierte Werke

Während es vor ein paar Jahren noch viele kleine Kunstwerke gab, sind sie heute größer, aufwendiger und komplexer geworden. "Dadurch werden sie auch mehr respektiert und überdauern länger. Es wird oft auch mit Leitern und Hebebühnen gearbeitet, um die großflächigen Werke verwirklichen zu können", fährt Grötschnig fort. Große und detaillierte Werke würden auch besser verstanden und angenommen werden und weniger als Vandalismus denn als Verschönerung wahrgenommen werden. "Wien hat eine Sonderstellung mit den vielen freien Flächen. Es gibt kaum vergleichbare Länder", erklärt Grötschnig. Hotspot sind der Donaukanal und der Yppenplatz in Ottakring. Kacheln mit Tauben kennzeichnen die "Wienerwand", an denen legal gemalt werden darf.

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"Seit 2004 sind 40 Prozent Flächen hinzugekommen", sagt Franz Kratzer von der Wienerwand. Vor allem Jugendeinrichtungen und Bezirke würden Flächen fordern. Aber auch was Initiativen, Galerien und Festivals angeht, tut sich in Wien viel. Gerade hat erst das Streetart-Festival Calle Libre stattgefunden. Die Stadt Wien hat auch den Jam gefördert, der vergangenen Samstag unter der Wiener Nordbahnbrücke stattgefunden hat. Internationale und lokale Graffiti-Künstler malten dort gemeinsam. Aber auch Galerien, wie Oxymoron in Wien-Neubau, unterstützen Künstler.

Dass Wien eine florierende Streetart-Szene hat, spricht sich auch im Ausland herum und zieht Künstler, wie Mehsos, von außerhalb an. Auch Nekros ist aus Madrid nach Wien gekommen, um zu malen: "Die legalen Flächen mit guter Sichtbarkeit machen den Reiz aus", beschreibt er.

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Er hat auch schon in Italien, Bukarest und in der Schweiz gemalt. Keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber das Ziel der Dokumentation verfolgt Grötschnig mit seiner Arbeit: "Die Murals (Kunstwerke, Anm.) verändern sich schnell. Das Buch soll einen Momentzustand darstellen." Mitte September erscheint es.
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Graffiti-Führer

Im Buch "Street Art Guide Vienna" sind rund hundert Werke abgebildet, plus Infos über Künstler, Entstehung, Agentur und Adresse. Außerdem gibt es eine Wien-Karte auf der die "Murals" abgebildet sind. "Damit kann man durch Wien gehen und einen Eindruck davon bekommen, was es gibt. Ich empfehle aber, trotzdem nach links und rechts zu schauen, weil ständig etwas Neues hinzukommt", sagt der Autor. Kosten: 10 Euro, Bestellung: viennamurals.at.