Chronik/Wien

Skurriler Graffiti-Prozess: "Puber ist Gott"– aber wer ist Puber?

Der Prozess beginnt mit einem Fauxpas von Richter Wilhelm Mende: "Herr Puber, bekennen Sie sich schuldig?", fragt er Renato S.

Der 30-jährige Schweizer mit brasilianischen Wurzeln soll der Schrecken von Wien sein. Der Staatsanwalt nennt ihn "eine Plage. Er hat der Stadt seinen Stempel aufgedrückt. Jeder, der durch Wien geht, kann die Schriftzüge überall sehen."

Fünf Jahre Haft möglich

Die zentrale Frage am ersten Prozesstag im Wiener Landesgericht lautet: Für wie viele der sogenannten Tags ist Renato S. (30) tatsächlich verantwortlich? Das Gericht, das ihn in Handschellen aus der U-Haft mit drei Beamten vorführen lässt, scheint ihn für potenziell gefährlich zu halten. 232 Fälle von Sachbeschädigung werden dem Schweizer vorgehalten. Es drohen bis fünf Jahre Haft.

S. ist kein unbeschriebenes Blatt. In der Schweiz wurde der Sprayer fünf Mal verurteilt, ein sechstes Verfahren läuft. Als er vor rund zwei Jahren nach Wien kam, um hier als U-Boot zu leben und als Security Gelegenheitsjobs anzunehmen, begannen die Schmierereien. "Puber ist eine Krankheit, die nach Zürich nun Wien befallen hat", schrieben Graffiti-Künstler hämisch in Internet-Kommentaren.

Tatsächlich gibt es die verschiedensten Puber-Schriftzüge, die Richter Mende genüsslich aufzählt. "Mit Schnörksel", "hier ein R mit ausladendem Abstrich" und da "ein Puber mit Herzen. Haben Sie das gemacht?" Doch Renato S. versagt, wie in den meisten der 232 Fälle, die Erinnerung: "Kann sein, dass das ich das war", sagt er Dutzende Male. Mende: "Da stand ,Puber ist Gott‘, an das werden sie sich wohl erinnern können?". "Kann sein ..."

Er gibt zumindest global zu, 20- bis 30-mal "Puber" an Wiener Wände geschmiert zu haben. Nur zwei Fälle, wo er von einem Türsteher erwischt bzw. von einer Kamera gefilmt wurde, gesteht er sofort. Doch es wird ihm auch leicht gemacht: Manche der ihm angelasteten Delikte sind gar keine Puber-Schriftzüge. Wie diese in die Anklage kommen, bleibt unklar. Die Wiener Linien haben zwar einen enormen Schaden zu beklagen, es gibt aber keine Fotos der Graffiti. Andere erreichten das Gericht zu spät und werden nicht verhandelt. Wie viele Delikte übrig bleiben, wird man am Donnerstag sehen – wenn das Urteil gesprochen wird.

So lassen sich Graffitis entfernen

Der Schaden für Hausbewohner, Eigentümer und Hausverwaltung geht in die Millionen. Laut der Hausbetreuung Attensam nehmen Graffitis im öffentlichen Raum zu. Was die Experten zur Vorbeugung und Beseitigung von Graffiti raten, haben unsere Kollegen vom Immo-Ressort recherchiert.

Mit einem Schuldspruch ist am Mittwoch ein Prozess wegen schwerer Sachbeschädigung gegen einen britischen Graffiti-Sprayer zu Ende gegangen. Der 23-Jährige wurde zu einer Strafe von 18 Monaten, davon vier Monate unbedingt, verurteilt. Da der junge Mann bereits seit 7. März in U-Haft sitzt, wurde er enthaftet. Das Urteil ist rechtskräftig.

Seit 2011 hinterließ der Brite seine Schriftzüge "T-BAG" und "GN" an diversen Zügen des öffentlichen Verkehrsnetz in Wien. Dabei entstand für die Wiener Linien und die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ein Schaden von rund 189.000 Euro. "Ich bin nicht wie Puber, der die Stadt verunstaltet, ich sprühe meine Tags nicht auf der Straße. Sie sind nicht für alle gedacht, sondern nur für Personen denen ich sie zeigen möchte, andere Graffitikünstler", sagte der 23-Jährige. Der Vorwurf, dass der junge Mann seine Tags auch in der Stadt Salzburg hinterlassen haben soll, wurde fallen gelassen.

Bei einem möglichen Strafausmaß zwischen sechs Monaten und fünf Jahren rechnete Richterin Maria Frank dem Verurteilten seine umfassende Geständigkeit und Hilfe bei der Aufklärung der Fakten als mildernd an. Frank hoffte, er würde seine Kreativität in Zukunft auf legale Weise ausleben.