Chronik/Wien

Schloss Schönbrunn: Residieren wie einst der Kaiser

So haben sie also gelebt, Franz Joseph und Sisi. Ein prunkvolles Appartement im Schloss Schönbrunn. Hohe Räume, meterdicke Mauern, Kristallluster, Stuckatur und ein Blick, der nicht zu überbieten ist: zur Gloriette, dem "Ruhmestempel" der kaiserlichen Sommerresidenz. Es ist kaum bekannt, dass heute jeder so wohnen kann (so er die dafür nötigen Mittel aufbringt): Im Schloss Schönbrunn wird die "Grand Suite" vermietet, in der ich aus Anlass von "Kaisers Geburtstag" – der wie jedes Jahr am 18. August begangen wird – eine "Probenacht" verbrachte.

Das Appartement liegt im Haupttrakt, dem prunkvollsten Teil des Schlosses. Es ist 167 Quadratmeter groß, verfügt über Wohnsalon, Speise- und zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, Küche und Garderoberaum und ist ganz im Stil der k. u. k. Zeit eingerichtet.

Über die Geheimstiege

Abgesehen davon, dass man den Spaß bezahlen muss, ist noch eine Hürde zu nehmen, um in der Grand Suite nächtigen zu können: Man muss gut zu Fuß sein. Denn das Appartement befindet sich im vierten Stock – ohne Lift.

Als ich die 88 Stufen der "Geheimstiege" – so heißt sie wirklich – erklommen habe, lasse ich mich in die lederne Bank im Wohnsalon fallen. Und kann kaum glauben, was ich durch die Fenster der Suite sehe: Mir liegt der 160 Hektar große Schlosspark zu Füßen, und direkt vor meinen Augen erhebt sich in ihrer ganzen Pracht die Gloriette.

Im Ostflügel gelegen

Nach ein paar Minuten Ausschnaufen treibt mich die Neugierde durch die anderen Zimmer der Grand Suite. Das im Ostflügel des Schlosses gelegene Appartement ist knapp 100 Meter Luftlinie von den Wohnräumen Franz Josephs und Sisis entfernt und wurde zu Kaisers Zeiten von dessen Enkelin, der "roten Erzherzogin" Elisabeth, bewohnt. Bei dem barocken Komfort lässt sich’s leicht "rot" sein, denke ich mir beim Auspacken meines Gepäcks, das in einer kleinen Tasche Platz fand – ich bin ja nur für eine Nacht gekommen. Wie übrigens die meisten, die sich hier einmieten. In die Grand Suite kommt man, um das Abenteuer Schönbrunn zu erleben, teilt mir der für das Wohl der Gäste zuständige Hoteldirektor Elmar Supper mit, und nicht, um hier einen längeren Urlaub zu verbringen.

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Seit drei Jahren gibt es die Möglichkeit, die Grand Suite zu mieten. Viele verbringen hier die Hochzeitsnacht (man kann im Schloss auch heiraten), Jubiläen oder Geburtstage. Die meisten kommen aus Österreich – auch viele Wiener sind darunter –, Deutschland und dem asiatischen Raum.

Bilder der Kaiser

Im Schloss Schönbrunn und seinen Nebengebäuden wohnen rund 400 Personen in 150 ganz kleinen bis ziemlich großen Wohnungen, die einst für die Angehörigen des Hofstaates und deren Dienstboten errichtet wurden. Eine davon ist die heutige Grand Suite, in der bis vor einigen Jahren eine alte Dame lebte, ehe ihr das Erklimmen der vier Stockwerke zu mühsam wurde. Nach ihrem Auszug baute die Schloss Schönbrunn Betriebs-GesmbH. die Wohnung mit dem Charme der Kaiserzeit zu einem (nicht ganz kitschfreien, aber das gehört ja dazu) Hotelappartement in außergewöhnlicher Lage um. In der Grand Suite hängen Bilder der ehemaligen Schlossbewohner Maria Theresia, Franz Joseph und Sisi.

Koch in der Suite

Wenn es dunkel wird über Schönbrunn, kommt man sich ein wenig einsam vor, da oben im kaiserlichen Schloss. Man wird aber nicht alleingelassen. Koch und Servierpersonal des nahen Parkhotels stehen auf Wunsch zur Verfügung, bereiten das Frühstück, aber auch Mittag- und Abendessen zu – vom gebratenen Zander über Rinderfilet Wellington bis zum – der ist hier fast Pflicht: Kaiserschmarrn. Auf Vorbestellung gibt’s auch Luxuriöses wie Kaviar, Austern und dazu eine Flasche Champagner.

Seine Majestät beliebten bescheidener zu speisen, Franz Joseph ließ sich in der Beletage des Schlosses Gemüsesuppe, Rindfleisch und Guglhupf auftischen – und das fast jeden Tag, es sei denn es waren Gäste angesagt.

Wenn man in der Grand Suite frühmorgens die Augen öffnet, vermeint man aus seinen Träumen noch nicht erwacht zu sein. Denn der Blick aus dem Himmelbett zur Gloriette und zum Neptunbrunnen im Schlosspark ist auch nach Sonnenaufgang überwältigend.

Bequemer als damals

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Die mit goldfarbener und mit roter Damasttapete ausgestattete Grand Suite verfügt über Bequemlichkeiten, die Franz Joseph noch verwehrt waren: Küche mit Mikrowellenherd und vollgefülltem Eiskasten, modernes Marmorbad mit fließendem Kalt- und Warmwasser, Zentralheizung, Bad, Dusche und WC. – Der Kaiser hatte kein Badezimmer, vielmehr wurden ihm Wasserkrug und Sitzwanne gereicht. Toilette mit Wasserspülung bekam er erst im Jahr 1900, bis dahin musste er mit einer Leibschüssel vorlieb nehmen.

All das erfuhr ich nach einem in der Grand Suite eingenommenen Frühstück, und zwar im Rahmen einer privaten Führung durch die Prunkräume des Schlosses, die auf Wunsch – ebenso wie Fiakerfahrt und Limousinenservice – für die Gäste des Appartements organisiert wird. Ich besah mir also die Wohn- und Arbeitsräumlichkeiten Maria Theresias, Franz Josephs, Elisabeths, Kronprinz Rudolfs und des letzten Kaisers Karl, die nicht wesentlich größer sind als die, in denen ich die vergangene Nacht verbrachte.

Zwei Millionen Besucher

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Das 90.000 große Schloss wird jedes Jahr von 2,5 Millionen Menschen besucht, der Park von sechs Millionen – aber keine Angst: die kommen nicht alle in die Grand Suite, die ist nur für die jeweiligen Mieter mit einem eigenen Schlüssel erreichbar.

Mein Resümee nach zwölf Stunden im Schloss: Kaisers haben superb zu nächtigen gewusst. Schön, dass das in republikanischen Zeiten wieder möglich ist.