Chronik/Wien

Restitutionskrimi: Autor bis Juni in Haft

Die österreichische Justiz will im Restitutionskrimi um den Prager Journalisten Stephan Templ ein Exempel statuieren. Die bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte seiner einjährigen Strafhaft wurde vom Landesgericht Wien aus "spezial- und generalpräventiven Gründen" abgelehnt.

Man muss Templ, der in einem Restitutionsantrag seiner Mutter deren Schwester unter den Tisch hatte fallen lassen, demgemäß offenbar vor weiteren strafbaren Handlungen abhalten und verhindern, dass andere ähnliche Delikte begehen.

Generalpräventive Gründe dürfen bei der Entlassung nach zwei Drittel der Strafe keine Rolle mehr spielen, das Gericht hat sie daher bereits genehmigt. Am 5. Juni wird Templ frei sein.

Bis dahin könnte ein weiterer Wiederaufnahmeantrag samt Antrag auf Unterbrechung des Strafvollzuges die schnellere Enthaftung für den jüdischen Historiker bringen. Sogar die Oberstaatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass neue Beweise geprüft und eine Zeugin neuerlich einvernommen werden sollten. Das Oberlandesgericht Wien setzte sich zwar zunächst darüber hinweg, ein zweiter Antrag muss nun aber bearbeitet werden.

Sechs Mal genannt

Templs Anwälte hatten beim Entschädigungsfonds nämlich Dokumente ausgegraben, die belegen, dass Templ seine Tante auf früheren Restitutionsanträgen (bezüglich von den Nazis enteigneter Lebensversicherungen) insgesamt sechs Mal genannt hatte. Die Beischaffung dieser Dokumente hätten Templ im Betrugsprozess vielleicht einen Freispruch gebracht, doch wurden sie als unerheblich abgelehnt.

Die Existenz der weiteren Anspruchsberechtigten war dem Fonds also bekannt. Dennoch sagte eine Mitarbeiterin im Betrugsprozess als Zeugin aus, man sei von Templ getäuscht worden, weil er seine Tante verschwiegen hatte. Es war dabei um die Entschädigung der Erben für das von den Nazis enteignete ehemalige Sanatorium Fürth, eines herrschaftlichen Gebäudes in Wiener Rathausnähe, gegangen. Templs Mutter bekam einen höheren Anteil, nämlich 1,1 Millionen Euro.

Templ sagt, die Tante habe zuvor schon seine Mutter um Teile des Erbes gebracht, man sei seit Jahren zerstritten. Daher fühlte er sich nicht verantwortlich, auch die Ansprüche seiner Tante im Fall Sanatorium Fürth zu wahren. Das wäre eine Frage für das Zivilgericht, im Strafprozess wurde die Tante gar nicht als Geschädigte zugelassen. Wer wurde also geschädigt? Die Republik Österreich? Die Finanzprokuratur erklärte, dass dem Bund kein Schaden entstanden sei.

Negative Schlagzeilen

Dass ausgerechnet ein jüdischer Autor kritischer Beiträge über Österreichs schleppende Restitutionspolitik in einem Restitutionsfall hinter Gitter musste, hat Österreich weltweit negative Schlagzeilen beschert. Eine schon lange im Raum stehende Begnadigung Templs könnte einiges wieder gutmachen, sie wird jedoch zwischen Justizministerium und Präsidentschaftskanzlei hin- und her geschoben.