Rechter Ball: Kritik an Polizei von allen Seiten
Freitagabend ging in Wien der umstrittene Ball des Wiener Korporationsringes (WKR) über die Bühne. Begleitet wurde das Ballgeschehen von Demos und einer Kundgebung dagegen in der Innenstadt. An die 2500 Demonstranten waren laut Polizei, nach Angaben der Veranstalter bis zu 10.000, auf der Straße und vor der Bühne am Heldenplatz. Die Polizei stand mit einem Großaufgebot parat, um Ballbesuchern den sicheren Zugang in die Hofburg zu gewährleisten und Ausschreitungen zu unterbinden. Kritik an den Einsatzkräften übten am Samstag nicht nur die Demonstranten, sondern auch der Ballorganisator.
Das Vorsitzteam der Österreichischer Hochschülerschaft kritisierte etwa den Umgang mit den Demonstranten: "Die Polizei schlägt sich eindeutig auf die Seite der Burschenschafter. Dass ein erleichterter Zugang zur Hofburg wichtiger gewertet wird als ein legitimer Protest, ist empörend." SOS Mitmensch berichtete in einer Aussendung am Samstag davon, dass Aktivistinnen von einem Ballbesucher mit Pfefferspray attackiert worden seien. SOS Mitmensch zeigte sich über "das Nichteinschreiten" der Polizei "befremdet".
Auch Ballorganisator Udo Guggenbichler kritisierte die Einsatzkräfte und sprach von einem "demokratiepolitschen Skandal", denn die Polizei habe eine gesicherte Zufahrt der Ballgäste zur Hofburg nicht gewährleisten können. Die von der Exekutive vorgeschlagenen Routen seien nicht genügend abgesichert gewesen, Taxis seien "eingekesselt" worden. "Das ist ein vollkommenes Versagen der Polizeiführung, die anscheinend das Aggressionspotenzial unterschätzt hat", so Guggenbichler. Dessen ungeachtet sei der Ball selbst "ein wunderbares Fest für Freiheit und Demokratie" gewesen.
Protest
"Smash-WKR", "Burschis platzen lassen" oder "gegen faschistischen Terror" stand auf Transparenten der Demonstranten vor der Hofburg. Ein breites Spektrum linker Gruppen sowie Hochschülerschaft und Grüne, bis hin zur israelitischen Kultusgemeinde hatte gegen den Ball der Burschenschafter mobilisiert. "Es ist ein Affront, dass am Gedenktag für Ausschwitz verurteilte und nicht verurteilte Holocaustleugner in der Hofburg abfeiern", drückte Aktivist Mo die Meinung vieler aus.
Gegen 21 Uhr kam es rund um die Hofburg zu Konflikten zwischen einigen Gruppen von Demonstranten und Ballbesuchern, die am Zugang gehindert wurden. Diese wurden teils beschimpft, bespuckt, mit Fußtritten bedacht und mussten von Polizeieskorten begleitet werden. Neun Personen wurden verletzt, zwei Reisebussen wurde mittels Sitzblockaden die Zufahrt verwehrt.
Die Polizeibeamten nahmen in der Innenstadt insgesamt 20 Personen fest. Neun Demonstranten wurden wegen gerichtlich strafbarer Handlungen wie Körperverletzung, Gefährdung durch Sprengmitteln oder Widerstand gegen die Staatsgewalt und weitere elf wegen verwaltungsrechtlicher Tatbestände festgenommen. Im ersten Bezirk wurde ein Deutscher mit einem Sprengsatz in Dosenform aufgegriffen. Der Sprengsatz werde untersucht, so die Polizei.
Eine "Attacke" gab es schon am Nachmittag: die Hackergruppe "Anonymous" kaperte die Homepage des Korporationsringes. Dort war ein blaues Pony und das Sowjetwappen zu sehen, untermalt von der Russischen Hymne.
Neben viel FPÖ-Prominenz begrüßte man am Ball, der etwas verspätet begann, auch ausländischer Gäste, darunter Mitglieder europäischer Rechtsparteien. Der Ball fand heuer zum letzten Mal in der Hofburg statt. Die FPÖ will sich den Rauswurf durch die Betreibergesellschaft nicht gefallen lassen: "Es wird noch Gespräche geben", sagt Martin Graf, dritter Nationalratspräsident.
Trotz Verbots wurden vereinzelt Besucher in Bundesheer-Uniform gesichtet. Zumindest von einem Gast nahm die Polizei aus diesem Grund die persönlichen Daten auf, er muss nun mit Konsequenzen wie etwa einer Geldstrafe rechnen. Dass die Weisung des Ministers nicht durch die Militärstreife, sondern durch die Polizei exekutiert wurde, hielt dieser für einen Skandal: "Offenbar gibt es hier keine Gewaltentrennung."
Minister im Programmheft
Aufregung gab es auch um Wissenschaftsminister Töchterle. Dieser wurde im Programmheft als Mitglied des Ehrenkomitees angeführt. Das war er allerdings nur auf dem Papier, er war nicht anwesend. Die Ballorganisatoren sprachen davon im Besitz einer entsprechenden schriftlichen Erlaubnis zu sein. Wissenschaftsminister Töchterle hat sich allerdings inzwischen via Presseaussendung vom Beitritt zum "Akademischen Ehrenkomitee" distanziert. Der Minister habe die seitens der Veranstalter übermittelte Einladung zum Ball nicht angenommen und persönlich auch keine Erklärung unterschrieben, dem "Akademischen Ehrenkomitee" beizutreten, hieß es in der Erklärung.
Neben Töchterle waren außerdem noch der Präsident der Österreichischen Universitätskonferenz, Heinrich Schmidinger, sowie der Rektor der Montanuniversität Leoben, Wilfried Eichlseder, im Programmheft angeführt.
Auch Heinrich Schmidinger hat sich zu der Causa bereits zu Wort gemeldet. Er kann sich nicht erklären, warum sein Name im Programmheft des WKR-Balls aufscheint. "Ich distanziere mich davon und kann mir das nicht erklären", meinte er am Samstagvormittag. "Ich lehne die Gesinnung der Ballveranstalter zutiefst ab. Ich habe das immer verurteilt", so Schmidinger.
Martin Graf lächelt. Die Frage, wo der Ball der Burschenschafter im Jahr 2013 stattfinden werde, beantwortet der Dritte Nationalratspräsident, bevor sie zu Ende gestellt ist: „In der Hofburg.“ Die FPÖ kämpft für den umstrittenen Ball. Seit die Hofburg-Betreiber verkündet haben, ihre Räume ab 2013 nicht mehr an den Korporationsring zu vermieten, ist die Causa Chefsache.
Graf und FPÖ-Boss Heinz-Christian Strache reiten persönlich die Attacken. Verständlich: Es geht um das eigene Biotop. Nicht der Wähler – aber der Funktionäre.
„Seit der Abspaltung des BZÖ 2005 sind die Burschenschafter wieder die tragende Säule der FPÖ“, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Die „Buberlpartie“, die Emporkömmlinge – die hat Jörg Haider mitgenommen. Treu geblieben sind vor allem die Korporierten.
Die ideologisch sattelfesten Rechtsaußen-Politiker.
Status
„Im Wandel des FPÖ-Parteiprogrammes zeigt sich der Status der Verbindungen“, sagt der Rechtsextremismus-Experte Peham. Haider habe das Bekenntnis zur „Deutschen Volksgemeinschaft“ 1997 gestrichen, um die FPÖ für die Koalition mit der ÖVP zu trimmen. „Strache hat es 2011 wieder reingenommen. Der Bezug auf die Volksgemeinschaft ist ein zentraler Grund, warum man die FPÖ letztlich als rechtsextrem klassifizieren muss.“ Die Parteispitze sieht das naturgemäß anders. Graf ist „Alter Herr“ der rechtsextremen, deutschtümelnden Olympia. Er sagt, der Anteil der Burschenschafter im Klub sei früher sogar noch höher gewesen.
Strache: „Das ist, wie wenn man sagt, der ÖAMTC ist eine tragende Säule der FPÖ, weil die meisten von uns da Mitglied sind.“ Der FPÖ-EU-Mandatar Andreas Mölzer spricht offener darüber: „Ja, seit der Spaltung sind Korporierte das wichtigste Personalreservoir.“ Das sei auch vor der Ära Haider so gewesen, sagt Mölzer, ein „Alter Herr“ des Corps Vandalia.
Strategie
Die FP-Spitze spielt den Stellenwert absichtlich herunter. DÖW-Experte Peham: „Strategen wie Herbert Kickl und Norbert Hofer haben sicher keine Freude damit, wenn sie zur Rettung des WKR-Balles ausrücken. Sie wissen, dass mit Burschenschafter-Themen nicht viele Stimmen zu holen sind.“ Aber sie müssen es tun – für den Parteifrieden.
„Die Burschenschafter und Strache sind aneinander gekettet. Sie brauchen ihn, weil sie alleine nicht über 15 bis 17 Prozent kämen. Er braucht sie als Reservoir für Funktionäre.“ Strache ist „nur“ bei einer Pennäler-Verbindung – er hat kein Studium abgeschlossen. Das erkläre, dass er auch gezielt Nicht-Burschenschafter in die FPÖ-Spitze geholt habe – um sich abzusichern. Die Ur-Angst der Burschenschafter ist es, die Fehler der Ära Haider zu wiederholen, so Peham. Sie haben von der ÖVP-FPÖ-Regierung zwar profitiert: Ihre Verbindungen zu rechten Zellen stehen seit 2002 nicht mehr im Verfassungsschutzbericht. Sanfter Druck von oben, sagen Insider.
„Aber sie haben Angst, dass die FPÖ wie damals zu schnell wächst und ideologisch ausrinnt“, sagt Peham. Nur so sind die Beteuerungen Straches zu verstehen, dass es keinen Platz mehr für Quereinsteiger in der FPÖ gebe. Die Burschenschafter in der Partei wollen keine Experimente mehr mit Aufsteigern, die nicht in der Wolle gefärbt sind. Mölzer beschwichtigt: „Das wiederholt sich nicht. Die Strache-FPÖ verleugnet ihre Wurzeln nicht. Das hat die Haider-FPÖ gemacht.“
Und wenn die FPÖ wieder zu schnell wächst? Wenn sie schneller Funktionärsnachschub braucht, als ihn die Burschenschaften liefern können? Mölzer sagt: „Sie glauben ja gar nicht, wie schnell wir unsere Mensuren fechten können.“
FPÖ-Klub: Jeder Dritte ist korporiert
Status Mit der Öffnung der Unis in der Kreisky-Ära haben die Burschenschaften stark an Status verloren – innerhalb der FPÖ haben die Männerbünde aber nach wie vor hohen Stellenwert.
Verbindungen Von 34 FPÖ-Abgeordneten, die nach der Wahl 2008 in den Nationalrat einzogen, waren zwölf in Verbindungen: Walter Rosenkranz (Burschenschaft Libertas), Alois Gradauer (pennale Verbindung Bajuvaria), Wolfgang Zanger (Corps Vandalia), Werner Königshofer (B. Brixia), HC Strache (pen. B. Vandalia), Martin Graf (B. Olympia), Peter Fichtenbauer (Verbindung Waldmark), Werner Neubauer (Schülerverbindung Gothia), Harald Stefan (Olympia), Christan Höbart (pen. B. Tauriska), Roman Haider (pen. B. Donauhort zu Aschbach), Elmar Podgorschek (Schülerver. Germania).