Chronik/Wien

Rätsel um Bronzetafel gelöst: Wien angeblich Österreichs älteste Stadt

von Katharina Weyrich

Wien muss seine Geschichte neu schreiben. Zumindest, wenn man einem kleinen Bruchstück einer Bronzetafel glaubt. Denn laut diesem hat Wien viel früher das Stadtrecht erhalten als ursprünglich bekannt. Nicht im Jahr 1221 – sondern bereits 1.000 Jahre zuvor.

Das macht Wien zur ältesten Stadt Österreichs – zumindest behauptet die Stadtregierung das nun. Und verweist das im Jahr 1212 gegründete Enns auf den zweiten Platz.

41 Zeichen ändern alles

Den Ausschlag gab das Fragment einer antiken Stadtrechtstafel. Bereits im Jahre 1913 wurde die Tafel beim Haus Am Hof 4 in der Innenstadt gefunden.

Von den rund 41 Zeichen konnten jedoch bisher nur die beiden Wörter „edicta“ (Bekanntmachung) und „galba“ (der römische Kaiser Lucius Livius Ocella Servius Sulpicius Galba) entziffert werden. Vermutet wurde, dass es sich bei dem Bronzefragment um ein erlassenes Edikt von Kaiser Galba handle. Näheres konnte jedoch gut hundert Jahre lang nicht herausgefunden werden. So wurde die Tafel gemeinsam mit weiteren rund 150.000 Ausgrabungsobjekten im Depot des Wien Museums untergebracht.

Die Tafel 
Die Bronzetafel wurde im Jahr 1913 bei Ausgrabungen nahe des  Legionslagers Vindobona gefunden. Es handelt sich hierbei um die Kundmachung eines Edikts des Kaiser Galba, der von 68 bis 69 n. Chr. regierte.

Römermuseum  
Zu finden ist die Tafel ab 6. März im Römermuseum.
Hoher Markt 3, 
1010 Wien
Öffnungszeiten:
Di.-So. & feiertags 9-18 Uhr

Besondere Aufmerksamkeit erlangte sie, als der 28-jährige Geschichte- und Lateinlehrer Niklas Rafetseder aus Niederösterreich im Zuge seiner Dissertation über die römischen Stadtgesetze im Wien Museum auf das Fragment stieß.

Angelehnt an den Stadtgesetz-Text der Stadt Irni im spanischen Andalusien konnten Parallelen zwischen den Stadttafeln festgestellt werden. Somit gilt es als wissenschaftlich bewiesen, dass Wiens Geschichtsschreibung weit früher anzusetzen ist, als bisher gedacht.

Geschichtsunterricht neu

Die Dechiffrierung des Bronzefragments und die daraus folgenden Erkenntnisse seien nur der Arbeit Rafetseders zu verdanken, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Präsentation der Forschungsergebnisse. Der Geschichtsunterricht über die Stadt Wien müsse nun überdacht werden. Er freue sich zudem, dass auch sogenannte „Orchideenfächer“ zu relevanten Erkenntnissen beitragen können.

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sagte, die neue Erkenntnis sei das Ergebnis der Zusammenarbeit von Wien Museum und Universität Wien. Dass historische Schriften digitalisiert werden, sei für die Forschung unglaublich wichtig. Denn Refetseder war in einer Datenbank auf das Fragment gestoßen. Michaela Kronberger, Kuratorin des Wien Museums, betonte, dass gerade die Erforschung der eigenen Sammlungen von großer Bedeutung sei.

Dank Rafetseder kann die Vermutung, dass Wien römischen Ursprungs ist, nun bestätigt werden. Näheres zum „historischen Rätsel in 41 Zeichen“ wird in der Fachzeitschrift TYCHE des Instituts für Alte Geschichte, Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Uni Wien veröffentlicht.