Arbeitskollegen auf offener Straße in Wien erstochen: 20 Jahre Haft
Ein 33-jähriger Mann, der in der Nacht auf den 8. Dezember 2017 in Wien-Favoriten einen Ex-Arbeitskollegen auf der Straße erstochen hatte, ist am Mittwoch am Landesgericht wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der vom Angeklagten behaupteten Totschlag-Version wurde kein Glauben geschenkt, der anklagekonforme Schuldspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus.
Das Opfer - ein 33 Jahre alter Kosovo-Albaner - war mit seiner Verlobten unterwegs, mit der er an einem Imbissstand Langos essen wollte, als er vom Angeklagten und einem bisher nicht ausgeforschten Komplizen angegriffen wurde. Laut Staatsanwaltschaft wollte sich der Angeklagte an dem Mann rächen, mit dem er seit Jahren "in einem schwelenden Konflikt verhaftet war", wie Staatsanwältin Magdalena Zabl darlegte.
Die beiden Männer hatten bei derselben Firma auf diversen Baustellen gearbeitet. Bereits im Jahr 2008 kam es zwischen den beiden zu Handgreiflichkeiten, der Mazedonier soll den gleichaltrigen Kosovo-Albaner im Zug einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem spitzen Gegenstand gestochen haben. 2011 musste der Mazedonier dann Österreich verlassen - sein Asylverfahren war negativ ausgegangen. Nachdem er in seiner Heimat geheiratet hatte, kehrte er 2016 mit seiner Ehefrau illegal zurück und verdingte sich seither wieder auf Baustellen.
Opfer habe Täter Wochen zuvor verprügelt
Mitte November 2017 traf er eines Morgens an der U-Bahn-Station Reumannplatz zufällig mit dem Kosovo-Albaner zusammen. Dieser soll ihn umgehend attackiert und mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert haben. Der Mazedonier erlitt einen offenen Nasenbeinbruch und Prellungen und Platzwunden am Kopf. "Nur durch das Eingreifen einer mutigen Passantin konnte verhindert werden, dass er zu Tode geprügelt wird", behauptete nun Andreas Weinwurm, einer der beiden Rechtsvertreter des Mazedoniers.
Der gedemütigte, aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr arbeitsfähige Mann soll in weiterer Folge Revanchegedanken gehegt haben. "Er wollte den Konflikt ein für alle Mal beenden", stellte die Staatsanwältin fest. Nachdem er die Adresse seines Widersachers herausgefunden hatte, habe er diesem gemeinsam mit einem Komplizen aufgelauert, wobei die zwei Männer mit einem Messer bzw. einer Gartenkralle bewaffnet waren. Als der Kosovo-Albaner mit seiner Verlobten gegen 22Uhr die Favoritenstraße entlangspazierte, "sind plötzlich zwei Männer auf uns zugelaufen. Der eine hat ihn wortlos an der Jacke gepackt und mit der anderen zugestochen. Ich hab' gesehen, wie er das Messer rausgezogen hat", schilderte die 46-jährige Frau dem Gericht.
Opfer konnte kurz entkommen
Weitere Augenzeugen, die aufgrund der Hilfeschreie auf das Geschehen aufmerksam wurden, sahen, wie der angestochene Mann davonlief. Der mit einem Messer bewaffnete Angeklagte rannte ihm nach, holte den von seinen Verletzungen Gezeichneten in der Landgutgasse ein und versetzte ihm weitere sieben Stiche. Der Mann starb zwei Stunden später in einem Spital.
"Es tut mir schrecklich leid", sagte der Angeklagte. Er bzw. seine Rechtsvertreter machten Totschlag geltend. Er habe dem Mann nicht aufgelauert, sondern sei diesem aus purem Zufall wieder begegnet, als er sich am Abend auf einer Bank vor einer Kirche niedergelassen hatte. Auf ein Mal sei ausgerechnet der Mann, der ihn wenige Wochen zuvor verprügelt hätte und den die Polizei deshalb nicht belangen konnte, weil er angeblich unbekannten Aufenthalts war, die Favoritenstraße entlanggegangen und auf ihn zugekommen.
"Das löste in ihm ein Gefühl von Wut und Panik aus", meinte Anwalt Weinwurm. "Ich habe gedacht, ich muss ihn stoppen", ergänzte der Angeklagte. Er habe dem Kosovo-Albaner daher einen Stich in den Bauch verpasst: "Ich wollte ihn leicht verletzen, damit ihn die Polizei festnimmt." Als dieser fliehen wollte, "hat er die Kontrolle verloren und im Blutrausch wie von Sinnen auf ihn eingestochen", fasste Lukas Hrovat, der zweite Rechtsvertreter des Angeklagten, dessen Emotionen zusammen.
Urteil ist nicht rechtskräftig
Wenige Tage nach der Bluttat setzte sich der Mazedonier ins Ausland ab - dass Busticket Richtung Balkan hatte er nachgewiesenermaßen vor dem inkriminierten Geschehen gekauft. Er konnte allerdings ausgeforscht und im Kosovo festgenommen werden. Die Identität seines Komplizen gab der auf Ersuchen der Wiener Justiz ausgelieferte Mazedonier auch in seiner Verhandlung nicht preis. Er behauptete, von diesem - angeblich einem zwei Meter großen Polen - nur den Vornamen zu kennen.
Bei der Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit des Mazedoniers als mildernd gewertet. Erschwerend waren demgegenüber "die besonders heimtückische und grausame Begehungsweise", wie sich die vorsitzende Richterin Nina Steindl ausdrückte. Das Opfer sei unbewaffnet gewesen und auf offener Straße getötet worden, führte die Richterin weiter aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der 33-Jährige bat nach 20-minütiger Besprechung mit seinen Rechtsvertretern um Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.