Chronik/Wien

Erster Belastungszeuge gegen Austro-Dschihadisten

Syrien ist für westliche Geheimdienste eine große Unbekannte. Über den Alltag im Terror-Kalifat, die Gräuel-Taten und die dafür Verantwortlichen wissen sie nur eingeschränkt Bescheid. Der 16-jährige Wiener Oliver N., der sich nach seiner Rückkehr aus Syrien gestellt hat und in U-Haft sitzt, gibt den Ermittlern nun seltene Einblicke. N. könnte zu einem Hauptbelastungszeugen gegen Dschihadisten aus dem deutschsprachigen Raum werden.

N. will kein Krieger gewesen sein. Zuerst sei er als Sanitäter, später als Propaganda-Mitarbeiter für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) tätig gewesen, zuletzt nach einem Bombenangriff als Schwerverletzter im Spital gelegen. N. habe "reinen Tisch" gemacht, sagt sein Anwalt Werner Tomanek.

Das Kapitel "Oliver N." ist für die Ermittler abgeschlossen – die Befragungen gehen aber weiter. Die Verfassungsschützer interessieren sich für seine Syrien-Bekanntschaften. N. traf dort angeblich mehrfach Mohammed M., Österreichs bekanntesten Terrorverdächtigen. Glaubt man dem jungen Rückkehrer, so ist M., der auf einem Foto mit Enthaupteten zu sehen war, als Vorbeter für deutschsprachige Dschihadisten tätig und genießt Kultstatus. N. bestätigt auch das Gerücht, dass M. gegen 27 Geiseln aus der türkischen Haft freigekommen sein soll.

Kleider des Firas H.

N. traf offenbar die Crème de la Crème der deutschsprachigen Dschihadisten. Darunter war der deutsche Denis Cuspert, bekannt unter seinem Rapper-Namen Deso Dog. Zuletzt traf man sich, um die Leiche des Wiener Dschihadisten Firas H. zu identifizieren. Als N. erstmals vor die Ermittler trat, soll er Kleidung des Toten getragen haben. Um das und die Aussage zu überprüfen, suchen sie nun auf dem Gewand nach DNA-Spuren von Firas H.

Mit der "vollen Kooperation" seines Mandanten will Tomanek die Justiz milde stimmen. Er denkt laut über eine neue Identität für N. nach. "Das wäre angebracht."

N. fiel mehrfach auf. Der Bursche ist in einem Propaganda-Video zu sehen. Via Skype ehelichte er eine Salzburgerin, 16, die auf ihrer Syrien-Reise gestoppt wurde. Die beiden tauchen dann in mehreren Ermittlungen zu ausreise- und heiratswilligen Teenagern auf. Tomanek sagt, N. sei gezwungen worden. "Wer nicht kooperierte, der verschwand."

Die Staatsanwaltschaft Wien legt N. Mitgliedschaft in einer Terror-Vereinigung zur Last. Da er jugendlich ist, droht ihm nur die halbe Höchststrafe (5 Jahre). Am Freitag entscheidet die Richterin, ob er in U-Haft bleibt.

Wie es mit jenen fünf mutmaßlichen Terror-Unterstützern, die am Donnerstag in Krems und in Wien festgenommen wurden, weitergeht, war am Freitag unklar. Die Staatsanwaltschaft Krems hat Anträge auf Verhängung der U-Haft über zwei Verdächtige gestellt. Bis Samstag muss darüber ein Richter entscheiden. In Wien stand der Schritt noch aus.

Der Strafvollzug rüstete sich für die Unterbringung von radikal-islamistischen Häftlingen. Seit bekannt wurde, dass sich die Attentäter von Paris in Gefängnissen radikalisiert hatten, stehen Haftanstalten im Fokus der Präventionsbemühungen. Staatsschützer und islamische Seelsorger schulen das Personal, sagt Peter Prechtl, Chef des Strafvollzugs. Außerdem wird es in den Anstalten „Beauftragte“ für die Häftlinge geben. Und es wird Augenmerk darauf gelegt, dass sie sich nur mit stabilen Personen die Zelle teilen.