Chronik/Wien

Obdachlosigkeit: Immer mehr junge Menschen betroffen

Sie werden von den Eltern vor die Tür gesetzt, haben Gewalt erfahren oder können sich trotz Lehrstelle schlicht keine Wohnung leisten: Immer mehr junge Menschen in Wien sind von Obdachlosigkeit betroffen. Davon zeugen Zahlen von Betreuungseinrichtungen der Caritas. Mehr als ein Drittel der dortigen Klienten seien weniger als 30 Jahre alt, berichtete Generalsekretär Klaus Schwertner am Montag.

Um Jugendlichen, die plötzlich auf der Straße stehen, akut helfen zu können, betreibt die Caritas mehrere Anlaufstellen in der Hauptstadt. Eine davon ist das "a_way" in Ottakring (Neumayrgasse 4), Wiens einzige Notschlafstelle für junge Menschen. In den Räumlichkeiten wo man in einer Pressekonferenz auf das "Tabuthema" aufmerksam machen wollte, finden bis zu zehn Wohnungslose zwischen 14 und 20 Jahren Platz. Zudem gibt es zwei Notbetten.

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Bis zu fünf Mal pro Monat kann man hier kostenlos und anonym schlafen, bekommt zu essen, kann duschen und seine Wäsche waschen. "Die Jugendlichen können rund um die Uhr an unsere Türe läuten", versicherte Claudia Amsz, Caritas-Leiterin des Bereichs Jugend und Familie. Zusätzlich kümmern sich Sozialarbeiter um die Klienten und stellen nötigenfalls Kontakt zur Suchthilfe, zu stationärer oder psychiatrischer Versorgung oder zur Kinder- und Jugendhilfe der Stadt her. Außerdem gibt es im Haus drei Wohngruppen mit acht Einzelzimmern, die bis zu drei Monate zur Verfügung stehen.

200.000 Euro gebraucht

446 Menschen nächtigten im Vorjahr insgesamt 2.970 Mal im "a_way". 2016 waren es noch um 70 Personen weniger. Das Durchschnittsalter liegt hier bei 17 Jahren. Dass Obdachlose offenbar immer jünger werden, zeige sich auch im "JUCA", dem Caritas-Wohnhaus für junge Erwachsene bis 30 Jahre. Laut Schwertner ist das Durchschnittsalter der Bewohner im vergangenen Jahrzehnt von 27 auf 21 Jahre gesunken.

Da die Unterstützung der öffentlichen Hand nicht ausreiche, bat der Caritas-Chef heute um Spenden: "Allein heuer brauchen wir 200.000 Euro, um das Angebot für Jugendliche finanzieren zu können." Viele Betroffene seien mit psychischer oder physischer Gewalt konfrontiert worden. "Dann wird verlangt, dass sie mit 14 oder 15 Jahren funktionieren und unseren Vorstellungen entsprechen. Dazu braucht es aber ein Umfeld, in dem man geschätzt wird und Geborgenheit und Sicherheit erfährt", unterstrich Amsz.

Schwertner kritisierte bei der Gelegenheit einmal mehr die Mindestsicherungspläne der Bundesregierung. "Wer bei der Mindestsicherung kürzt, nimmt einen Anstieg der Kinderarmut in Kauf", redete der Caritas-Generalsekretär ÖVP und FPÖ ins Gewissen. Allein im Vorjahr seien rund 100.000 Kinder aus den Mitteln der Mindestsicherung unterstützt worden.