Chronik/Wien

Obdachloser: "Heimelig" unter der Brücke

Es ist eine beschauliche Gegend in Wien. Kleingartensiedlungen mit hübschen Häusern und gepflegten Gärten bestimmen das Bild. Thujen und Petunien sind an allen Ecken zu sehen. Viele Pensionisten sind hier zu Hause. Folgt man der Straße bis an ihr Ende, findet man eine Brücke. Und unter dieser Brücke wohnt Robert (der keinen Nachnamen nennen will).

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Er ist 59 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Tschechien. Früher war er Maurer-Helfer, irgendwann hat es mit der Arbeit und dem Geld aber nicht mehr geklappt und Robert wurde obdachlos. Seit zwei Jahren wohnt er daher unter der Brücke, neben der Autobahn. Er hat sich den Platz wie eine kleine Wohnung eingerichtet – nur dass sie eben keine richtigen Wände hat. Obwohl, eine Wand gibt es, den Brückensteher. Und den hat er in rosa und gelb angestrichen.

Die Farben hat er auf der Straße gefunden, sowie all seine anderen Einrichtungsgegenstände: zwei Sofas und Sessel, einen Tisch, ein Kästchen, zwei Regale, Polster, Stofftiere, Blumen, Vasen, Figürchen, eine Uhr, ein Radio, Bilder und eine Marienstatue. Auch einen Teppich hat er, den hat er unter seiner Einrichtung ausgebreitet. "Ich habe das alles hier in der Gegend gefunden", erzählt Robert. Er sitzt auf seinem Sofa und dreht sich eine Zigarette. Neben seinen Sofas hat er provisorische Wände aufgebaut und damit seinen Raum abgesteckt. Dahinter hat er einen kleinen Garten angelegt und Bäumchen gepflanzt.

Minus 17 Grad

"Ich mag es ordentlich." Alles ist sauber und gepflegt, "wenn jemand Abfall hier in der Gegend hinwirft, dann entsorge ich den auch." Die Anrainer mögen ihn, er hat einige Freunde in der Gegend. "Bei einem Kollegen kann ich duschen und mein Gewand waschen." Und wenn er mal länger weg muss, kann er auch einige Gegenstände dort unterbringen, damit sie ihm nicht gestohlen werden. Im Winter hält er es bis minus 17 Grad draußen aus. In der Früh bringt ihm dann der Nachbar eine heiße Kanne Tee, damit er sich aufwärmen kann. "Wenn es kälter wird, muss ich in eine Schlafstätte, aber das mag ich nicht. Da stinkt es und die Leute fladern."

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Ein Nachbar fährt mit dem Rad vorbei und bleibt stehen: "Ah, hallo. Na, wie gehts dir heute?" Robert antwortet in brüchigem Deutsch. "Der ist ja ein ganz Lieber. Der mag keine Raufereien", sagt der Pensionist. Ab und zu kämen junge Burschen und wollen sich mit dem Obdachlosen schlägern. Einmal haben sie ihm seine Tischplatte ruiniert, das hat Robert sehr geärgert, aber er hat sie wieder halbwegs reparieren können.

Auch angezeigt wurde er einmal, dann musste die Polizei seine selbst gebaute Unterkunft räumen. Robert kehrte aber zurück und seither gab es keine diesbezüglichen Probleme mehr. "Grundeigentümer ist die Gemeinde Wien, die es duldet", sagt Polizeisprecherin Irina Steirer. Einen Zuverdienst bekommt er bei der MA48 als Straßenkehrer. Jeden Montag, Mittwoch und Freitag arbeitet er dort von sechs bis elf Uhr in der Früh und verdient 5,20 Euro pro Stunde.

Robert und der Nachbar verabschieden sich nach einem Plausch. Ein Auto fährt vorbei, der Fahrer winkt Robert, dieser lächelt und grüßt zurück. Dann nimmt er einen Schluck Tee aus seiner Thermoskanne.