Terrorfolgen: LVT-Chef muss gehen, zwei Gebetshäuser geschlossen
Der Attentäter von Wien war in zwei Moscheevereinen in der Bundeshauptstadt aktiv und dürfte sich dort auch radikalisiert haben. Einer davon unterstand der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), wie Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) am Freitag in einer Pressekonferenz berichtete.
Konkret geht es dabei um den Entzug der Rechtsstellung sowie um die Auflösung von Vereinen. Betroffen ist die Tewhid-Moschee in der Murlingengasse in Meidling und Melit-Ibrahim-Moschee in Wien-Ottakring. Details dazu wurden in einer Pressekonferenz ab 14 Uhr im Innenministerium bekanntgegeben.
Das Kultusamt sei am Donnerstag vom Innenministerium in Kenntnis gesetzt worden, dass der Attentäter immer wieder zwei Moscheen in Wien besucht habe, berichtete Raab.
Zeitgleich mit der Pressekonferenz fand übrigens eine Razzia der Polizei in der Melit-Ibrahim-Moschee in Wien-Ottakring statt. Diese war aber bereits nach kurzer Zeit wieder beendet, Zwischenfälle gab es keine.
Diese Einrichtungen sind betroffen
Die Tewhid-Moschee in der Murlingengasse in Meidling sei 2016 von der IGGÖ als Gemeinde eingerichtet worden. Die umgehende Schließung erfolge im Interesse der öffentlichen Sicherheit, da die im Islamgesetz geforderte „positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ nicht bestehe, sagte Raab.
Eine weitere Einrichtung, die Melit-Ibrahim-Moschee in Wien-Ottakring, unterstehe nicht der IGGÖ, so Raab. In diesem Fall wurde ein Auflösungsverfahren nach dem Vereinsgesetz eingeleitet.
Auch diese Moschee habe laut Verfassungsschutz die Radikalisierung des Attentäters begünstigt. In der Moschee sollen sich unter anderem auch der Islamist Mohamed M. sowie der als IS-Terrorist zu neun Jahren Haft verurteilte Lorenz K. regelmäßig aufgehalten haben.
Kultusministerin Raab hat betont, dass die Schließung der beiden Moscheen kein Angriff auf den Islam sei. „Es ist kein Angriff gegen die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, sondern es ist ein gemeinsamer Kampf gegen den Missbrauch einer Religion für das Radikale.“
"Aus unserer Sicht ist die Bewertung gerechtfertigt, hier einzuschreiten", sagte Nehammer. Das sei immer heikel und eine Gratwanderung, aber im Rahmen des Rechtsstaates. Für Raab geht es auch um "die Ideologie, die den Hass säht, das 'wir gegen sie'." Diese Worte seien meist nicht strafrechtlich relevant, aber Jugendliche "auf Sinnsuche" könnten dafür anfällig sein.
Personelle Konsequenzen im LVT Wien
Zudem kündigte Nehammer personelle Konsequenzen im Wiener Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Folge der Polizeipannen rund um den Terrorakt an und gestand weitere Pannen ein.
Demnach hatte der spätere Attentäter im Sommer Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung überwacht wurden. Dennoch wurden damals keine Konsequenzen gezogen. Der Leiter des LVT Wien wurde abberufen, berichtete Polizeichef Gerhard Pürstl.
"Nicht tolerierbare Fehler"
Nehammer sprach von „offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern“. Man habe daher „unverzüglich personelle Konsequenzen“ gezogen. Auf die Frage nach seiner politischen Verantwortung für die Fehlleistungen sagte Nehammer, er sehe seine Verantwortung darin, zu handeln, wenn ihm Missstände zur Kenntnis gebracht werden.
Laut Pürstl hat sich der spätere Attentäter im Juli mit Personen getroffen, die unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes standen und sich in Österreich aufgehalten haben. Diese Tatsache und der später in der Slowakei gescheiterte Waffenkauf hätten laut Pürstl „bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen können“.
LVT-Leiter Erich Zwettler wurde den Angaben zufolge auf eigenen Wunsch abgezogen. Die interimistische Führung übernimmt der Leiter des steirischen LVT Rupert Meixner.
Hausdurchsuchungen in Deutschland
Außerdem lieferte Nehammer einen Nachtrag zu den Hausdurchsuchungen, die auch ins Ausland geführt hätten. In Deutschland sei es zu vier Hausdurchsuchungen und Ermittlungen des Bundeskriminalamts gekommen.
Einmal mehr bekräftigte der Innenminister, dass sich die Gesellschaft durch Terrorismus nicht auseinander dividieren lasse.
Politische Reaktionen aus Österreich
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wertet die heutige Ankündigung von ÖVP-Kultusministerin Raab und ÖVP-Innenminister Nehammer, dass nach dem Anschlag von Wien radikale Moscheen geschlossen werden sollen, als „verspätetes Schuldeingeständnis“.
„Kanzler Kurz hat schon vor zwei Jahren die Schließung von radikalen Moscheen angekündigt. Dass der türkise Innenminister diese Ankündigung heute erneuert, ist ein Eingeständnis des Regierungsversagens, dass hier in den letzten zwei Jahren nichts Entscheidendes passiert ist, um eine Radikalisierung in radikalen Moscheen zu verhindern“, betonte Deutsch.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz bezeichnete Innenminister Nehammer (ÖVP) am Freitag in einer Aussendung sogar als „Feigling“ und forderte dessen Rücktritt.
Die Grünen hingegen begrüßen "gezielte Moscheenschließung und Vereinsauflösung", rasches Handeln gegen Radikalisierung sei gemeinsame Priorität. „Keine Religionsgemeinschaft darf es dulden, wenn in ihrem Namen Hass und Gewalt gepredigt werden", betont die Grüne Integrationssprecherin, Faika El-Nagashi.
IGGÖ: "Eine Gemeinde betroffen"
Die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hatte bereits vor der Pressekonferenz von der Schließung einer Moschee berichtet. Um welches Objekt es sich genau handelt, wollte man auf APA-Anfrage zunächst nicht sagen. Es soll sich aber nicht um jene Moschee in der Hasnerstraße in Wien-Ottakring handeln, in dem der Attentäter aktiv gewesen sein soll. Diese sei nicht bei der IGGÖ registriert gewesen.
An die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich seien Freitagvormittag Informationen herangetragen worden, wonach eine bei ihr registrierte Moscheegemeinde gegen Glaubenslehre und Verfassung sowie das Islamgesetz von 2015 verstoße, gab die IGGÖ bekannt. Um mögliche Gefahr in Verzug abzuwenden, habe man unmittelbar die Rechtspersönlichkeit dieser Moscheegemeinde aufgehoben und dies dem Kultusamt mitgeteilt.
„Religionsfreiheit ist ein hohen Gut in unserem Land, das wir vor Missbrauch schützen müssen und schützen werden - auch vor jenem aus den eigenen Reihen“, schrieb IGGÖ-Präsident Ümit Vural. „Daher haben wir in Absprache mit den zuständigen Behörden die Schließung einer Moscheegemeinde angeordnet.“ Unter dem Dach der Islamischen Glaubensgemeinschaft finden sich österreichweit ungefähr 350 Moscheen und Gebetshäuser.