Chronik/Wien

Mieter musste Fahne Israels aus Fenster entfernen

Ganz unter dem Motto Toleranz stand der Song Contest in Wien, doch nun sorgt ein antisemitischer Vorfall just während des Events in Wien-Leopoldstadt für Aufregung.
Mieter Sebestyén Fiumei wurde von der Hausverwaltung und seinem Vermieter aufgefordert, die Fahne Israels aus seinem Fenster zu entfernen, weil sich ein anderer Mieter dadurch gestört fühle. Fiumei hatte die Flagge während einer Song Contest-Party geschenkt bekommen.

„Sie war gar nicht so auffällig. Und ich hatte beim Aufhängen auch gar keine großen Überlegungen angestellt“, sagt der 23-Jährige, der im jüdischen Viertel wohnt. „Doch zwei Tage später mir wurde mitgeteilt, dass die Fahne einen anderen Mieter an seine traurige Vergangenheit erinnere und er sie nicht jeden Tag sehen möchte.“ Auf die Bitte an die Hausverwaltung, das Problem vielleicht in einem Gespräch mit dem Nachbarn zu klären, habe es laut Fiumei keine Reaktion gegeben. Stattdessen habe ihn sein Vermieter aufgefordert, auch die Mezuza (Schriftkapsel am Türpfosten, Anm.) abzunehmen.

Religionsfreiheit

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Laut dem Studenten, der auch im Vorstand der jüdisch-österreichischen Hochschülerschaft sitzt, habe der Vermieter zudem das Ultimatum gestellt, die Fahne abzunehmen oder auszuziehen. „Ich weiß nicht, ob der Wunsch des Mieters auch weitergeleitet worden wäre, wenn es sich zum Beispiel um die deutsche Fahne gehandelt hätte“, so Fiumei, der zumindest in Sachen Mezuza nicht klein beigeben will. Da gehe es ihm um das Prinzip und die Religionsfreiheit.

"Ich meine, es ist ein jüdisches Viertel. Da gehen hunderte orthodoxe Juden durch, die hebräisch reden. Sollen die dann auch den Mund halten, damit keine Gefühle verletzt werden?", fragt er. Demokratie sei dazu da auch Dinge zu akzeptieren, die jemanden vielleicht nicht gefallen.

Abstoßend

„Diese Vorgehensweise ist die abstoßendste Form von Antisemitismus und speziell für Wien verwerflich. Ich erwarte mir, dass dies nicht toleriert wird und sowohl Hausverwaltung als auch Vermieter dementsprechend belehrt werden“, ist der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, entsetzt. Gerade die Mezuza hänge immer am Eingang jüdischer Haushalte. "Auch bei mir." Ein derartiger Vorfall sei ihm jedenfalls noch nie zu Ohren gekommen. Deutsch betont, dass antisemitische Zwischenfälle seit 2013 stark gestiegen sind. Man werde dem Betroffenen jedenfalls Unterstützung zur Einleitung rechtlicher Schritte gewähren.

Auch die Österreichisch-Israelische Gesellschaft (ÖIG) meint, dass die Vorgehensweise nicht rechtlich gedeckt uns somit verwerflich sei. Die Fahne Israels sei die Flagge eines mit Österreich befreundeten Staates. "Die Aufforderung an einen Juden, ein jüdisches religiöses Symbol wie die Mesusa abzumontieren und zu verstecken, ist antisemitisch und nicht nur vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte, sondern auch angesichts des Rechtes auf freie Religionsausübung absolut inakzeptabel. Wir erklären uns jedenfalls mit dem diskriminierten Mieter solidarisch", erklärt ÖIG-Präsident Richard Schmit.

Hausverwaltung versucht zu beruhigen

Bei der zuständigen Hausverwaltung erklärt man, dass die nachbarschaftliche Anfrage im Zuge einer Urlaubsvertretung unkritisch an den Hauptmieter weitergeleitet wurde, was den Verantwortlichen ausgesprochen leid tue. "Außer der absolut nicht notwendigen Weiterleitung der Bitte die Fensterdekoration anders zu positionieren, haben wir weder eine Entfernung des Türschmucks verlangt, noch mit Kündigung oder anderen Schritten gedroht. Welche Schritte diesbezüglich der Hauptmieter ausgesprochen hat können wir nicht nachvollziehen und werden sich Haupt- und Untermieter selbst vereinbaren müssen. Als Treuhandverwalter haben wir klare Aufgaben zu erfüllen die jedenfalls keinen Bezug auf religiöse oder politische Inhalte zu nehmen hat", heißt es in einer Stellungnahme.

Der Vermieter weilt zur Zeit im Ausland. Fiumei fürchtet nun allerdings um seinen WG-Platz. "Rechtlich gesehen ist es immer anders als praktisch gesehen. Die Beziehung zu meinem Vermieter wird wohl nicht mehr gut werden", sagt er. Allerdings habe er sich bewusst entschieden, die Vorfälle aufzuzeigen. "Vielleicht macht das der nächste Vermieter oder Verwalter dann nicht mehr", meint der Student. Antisemitismus will der 23-Jährige aber weder Vermieter noch Hausverwaltung unterstellen. Vielmehr gehe es um Ignoranz und unüberlegtes Handeln.