Legende gesucht: Figaro ER-ICH will einen abnormalen Nachfolger
Von Birgit Seiser
Schriftsteller Wolf Wondratschek und Künstler Martin Kastner sitzen am Mittwochnachmittag im Salon ER-ICH in der Wiener City. Beide ziehen an ihrer Zigarette und nippen am Espresso. Sie sind aber nicht hier, um sich die Haare schneiden zu lassen.
Der eine bringt dem Saloninhaber ein Buch, das er über ihn geschrieben hat. Der andere liefert ein Gemälde aus, das der Saloninhaber bestellt hat. Erich Joham heißt der Figaro und ist ein Wiener Urgestein. An seinem Revers trägt er das silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien. Mit Häupl und auch Ludwig ist er auf Du und Du.
Seit über 30 Jahren betreibt Joham das Geschäft in der Griechengasse 7 und er hatte sie alle: Falco, Hermann Nitsch, Elfriede Jelinek oder André Heller vertrauten ihr Haupthaar Erich Joham an.
Wer nicht will, kann weg bleiben
„Einmal wollte die Mutter von der Paris Hilton, dass ich zu ihr ins Hotel komm und ihr die Haare für den Opernball mache. Aber da kommen dann alle mit dem Make-up und Nägel. Ich hab ihr ausrichten lassen, sie soll im Hilton bleiben und ich bleib im Salon. Wenn sie was will, soll sie zu mir kommen“, sagt Erich Joham.
André Heller sei das Konzept des Salons irgendwann „zu viel“ gewesen. „Wenn er das nicht versteht, dann soll er nicht mehr kommen, hab ich ihm gesagt“, erzählt Joham.
Das Konzept des Geschäfts ist wirklich einzigartig. Die Wände sind voller Kunst, schrägen Figuren, Stickern mit teils tiefsinnigen, teils unsinnigen Sprüchen und Erinnerungen an ein schillerndes Berufsleben.
Und das soll auch noch im Salon weitergehen.
ER-ICH würde die Schere noch nicht an den Nagel hängen, wenn der Nachfolger ihn dabei haben will. Einen solchen zu finden, sei aber schwierig. „Da braucht es jemanden, der das versteht. Der die Geschichte und das alles schätzt. Das ist etwas wert“, sagt Joham. Der Passende sollte also Potenzial zur Legende haben. Jetzt wo bekannt wird, dass Joham bald übergeben möchte, hofft er den oder die Richtigen zu finden.
Während des Gesprächs geht der 70-Jährige immer wieder zu seiner Kundin und schneidet ein paar Zentimeter Haare weg. Zwischendurch fährt ein Kunde mit einem Segway in den Salon. „Das ist bei uns okay. Das geht alles“, schmunzelt der Figaro. So schräg die Atmosphäre in dem Salon ist, so viel Charme und Geschichte versprühen die Devotionalien.
Der Geburstags des Bürgermeisters
Die neueste Sehenswürdigkeit ist ein Werbeplakat des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, das ihn mit Joham zeigt. „Der Ludwig hat heut' übrigens Geburtstag. Habt‘s ihm eh alle gratuliert?“, fragt Joham in die Runde.
Von Mainstream will der Friseur nichts wissen. Heute würde es nur noch um Profit gehen, was gar nicht nach Erich Johams Geschmack ist. „Wenn sich niemand findet, soll mein Sohn ein Studio reinbauen.“ Der ist Fotograf, hofft aber auch, dass sich ein Nachfolger findet, der den Salon weiterführt. Eines ist jedenfalls fix: "Wir werden ein super Fest machen, wenn ich aufhöre. Ein Society-Event wird das. Vielleicht kann man ja sogar einen Wettbewerb machen, wer das Geschäft kriegen soll", sagt Joham.
Wer genung Mumm hat, um das Geschäft zu übernehmen, soll einfach in der Griechengasse 7 vorbeischauen.