Chronik/Wien

Legale Droge mit üblen Folgen

Eigentlich sollte es ein lustiger Samstagabend werden. Um beim Tanzen nicht schlapp zu machen, kaufte sich Silvia in einem Growshop (Anm. Geschäft für Zubehör zur Aufzucht und zum Anbau von diversen – auch Rauschzustände hervorrufenden – Pflanzen) für rund zehn Euro sogenannte "Happy Caps", also legale Rauschmittel mit natürlichen Inhaltsstoffen. Doch der Abend endete für die 19-Jährige nicht auf der Tanzfläche, sondern im Krankenhaus.

"Ich hatte extremes Herzrasen und wusste nicht, was plötzlich los ist", schildert Silvia, die in der Nähe von Wien wohnt. Silvia geriet in Panik und ihre Freundin musste die Rettung rufen. Diagnose: Serotonin-Syndrom, also eine Überreaktion des Körpers, das vor allem bei Jugendlichen in der Entwicklung sogar lebensbedrohlich werden kann. Umso problematischer, dass diese Tabletten ohne Altersbegrenzung verkauft werden dürfen.

Silvia ist gerade in der Ausbildung, hat einen guten Job und mit Drogen nach eigenen Angaben "nicht viel am Hut". Ihre Freundin machte den Vorschlag, die Tabletten zu nehmen. Angeblich sei die Wirkung die selbe, als würde man ein paar Espressi trinken.

Alle Inhalte anzeigen

Rausch wie LSD

Ewald Höld, der medizinische Leiter der Drogenkoordination in Wien, kennt solche Fälle. Auch wenn die Tabletten legal verkauft werden, sind einige Inhaltsstoffe für den Psychiater höchst bedenklich: "Ein Grundstoff vieler solcher Happy Caps ist Tryptophan. Das ist ein Grundmittel für die Herstellung von Antidepressiva." Wenn man es in Kombination mit anderen psychodelen Wirkstoffen nimmt, kann es schnell gefährlich werden.

Tryptophan an sich ist nur ein Nahrungsergänzungsmittel und fällt deshalb unter das Nahrungsmittelgesetz. In fast allen Happy Caps ist aber die hawaiianische Holzrose Hauptbestandteil – und die hat eine ähnliche Wirkung wie LSD. Der KURIER fragte im Gesundheitsministerium nach, wie es möglich sein kann, dass solche Wirkstoffe offen deklariert und ohne Altersbeschränkung verkauft werden können. "Wir werden diese Happy Caps von der Lebensmittelaufsicht untersuchen lassen", kam als Antwort von Carolin Krejic, Abteilungsleiterin für Lebensmittelsicherheit. Bis zur Prüfung sind die Tabletten aber weiterhin frei verkäuflich.

Alle Inhalte anzeigen

Makaber: Im Shop kann man sich aussuchen, wie man gerne drauf wäre. Silvia griff zum "Space-E", das als ekstatischer Energielieferant bezeichnet wird. Für einen gemütlichen Abend wird "Lounge-E" empfohlen, das zum Relaxen dienen soll. Paradoxerweise sind gerade in den angeblich beruhigenden Tabletten Aufputschmittel enthalten. Auch wenn die merkliche Wirkung nur wenige Stunden anhält, wird der Körper geschädigt. "Diese Substanzen beeinflussen den Gehirnstoffwechsel extrem. Nachwirkungen sind für das Gehirn tagelang zu spüren und schädigen vor allem den Schlaf", sagt Drogen-Experte Höld. So kommt es dann oft zu einem Teufelskreis. "Wenn man nicht schlafen kann, dann nimmt man gerne etwas Stabileres und greift zu Alkohol" – Happy Caps sind also Einstiegsdrogen. Zahlen über Fälle, die im Spital enden, gibt es nicht, weil die Substanzen keine Drogen sind und Missbräuche deshalb nicht gemeldet werden.