"Ein bisschen anders fühlt es sich an"
Von Anna-Maria Bauer
Eigentlich hätte es Rudi Nemeczek ja wissen müssen. Unwahrscheinlich, dass Räume im Laufe der Jahre höher werden. Aber das Herumhüpfen auf der Bühne kann er sich mit 59 Jahren ebenso wenig verkneifen wie mit 27. Und so fühlt es sich bei dem Comeback-Konzert von "Minisex" Anfang November in der Diskothek U4 wie ein Déjà-vu an, als der Frontsänger gegen die Decke knallt und sich dabei die Lippe blutig schlägt.
Party, Party
Aber nicht nur der Musiker, auch das Lokal selbst habe sich gewandelt. Vom Kultur- zum Party-Hotspot. Gut, im Wien der 1980er-Jahre gab es einfach noch keine Alternativen. Deshalb fand man im U4 auch reiche Döblinger neben "abgefuckten" Punks (obwohl das manchmal auch heute noch so ist). Damals war es aber jedenfalls noch ein kleines Mysterium, wie man in den Club überhaupt hineinkam. Nemeczek kann sich noch gut daran erinnern, dass Türsteher Conny de Beauclair ihm den Eintritt verwehrte. Man musste die richtigen Leute kennen.
Dienstags, bei der Studenten-Party "Tuesday 4 Club", die sich Partyhits aus den 80er- und 90er-Jahren verschrieben hat, könnte es durchaus vorkommen, dass die Besucher, zu diesem Lied auf der Tanzfläche hüpfen.
Oder zu "Rudi, gib acht", dem wohl bekannteste Lied der Band. Ein Song, der von einem Stalker handelt – und der provozieren soll. Ebenso wie der Name der Band selbst. In den 1980ern genügte das Wort Sex alleine schon, um Aufsehen zu erregen. Und dann tauchte es bei dieser Band auch noch in Kombination mit einem Wort auf, das da gar nicht dazupasst – "Mini" – denn Sex muss immer groß sein. Aber mit Sex alleine könne man heute niemanden mehr schocken, sagt Nemeczek. Eigentlich müsste man sich umbenennen.
Rock me Amadeus
Kaum eine musikalische Größe hat die Vorstadt-Disco nicht besucht. Manche haben das Lokal sogar besungenEigentlich hätte es ja ein Stadtheuriger werden sollen. Das mangelnde Licht vereitelte diese Pläne allerdings. Also eine Diskothek. Geheuer war das der damaligen Meidlinger Bezirkschefin Maria Graff nicht. Discos würden die Jugend verderben. Also wurde ein Verbotsschild mit der Aufschrift „Beim Tanzen nicht bewegen“ aufgehängt. Gebracht hat es nichts. Die begeisterte, feiernde Menge ließ sich nicht aufhalten.
Ganz Wien zu Gast
Und das lockte auch musikalische Größen. Eine der berühmtesten, österreichischen Stammgäste war wohl Falco. Ob er sich an die Besuche erinnern könnte, selbst wenn er noch leben würde, ist zu bezweifeln. Schließlich stammt von ihm das Zitat: „I würd sagen, wer sich an die 80er-Jahre erinnern kann, der hat sie nicht gelebt.“ Ähnliches hätte auch aus dem Mund von Schauspieler Johnny Depp stammen können, der mit seiner damaligen Band „P“ in der Diskothek auftrat. Wie auch Grace Jones, Prince oder Nirvana. Es wurde aber nicht nur im Lokal gesungen, die Disco wurde in Liedertexten auch besungen. So singt Falco in „Ganz Wien“ davon, dass im U4 die Goldfisch’ geigen. Und STS bekommt es beim Anblick des grünhaarigen, schwarzlippigen Mädchens im U4 mit der Angst zu tun.
1989 brannte das Lokal dann fast vollständig ab. Beim Wiederaufbau wurde die Bühne zugunsten der Tanzfläche verkleinert.
Türsteher vor die Tür
Überhaupt war das Fortbestehen der Diskothek nicht immer gesichert. Im September 2005 wurde zuerst Türsteher Conny de Beauclair vor die Tür gesetzt, dann wurde diese vorübergehend zugesperrt. Bis die fünf Freunde und langjährigen U4-Fans Markus Wild, Daniel Mladenov, Günther Knotzer, Gilbert Leeb und Michael Gröss rund 500.000 Euro in die Hand nahmen, um in das neue U4 zu investieren.
Das Lokal wurde im März des darauffolgenden Jahr mit mehr Notausgängen, neuen Toiletten und permanenter Frischluftzufuhr wieder eröffnet. Mit Türsteher Conny de Beauclair, der übrigens mittlerweile auch ein Buch über seine Erfahrungen mit dem U4 herausgebracht hat.