Chronik/Wien

Junge Taschendiebin "ist auch Opfer": Haftstrafe

Die Taschendiebin Sensa ist nach äußerem Anschein und früheren Angaben erst 12, laut aktueller Aussage 14 und einem zahnmedizinischen Gutachten nach bereits 18. Bei ihrer Festnahme wollte sie eine Zigarette rauchen. Als ihr ein Polizist erklärte, das dürfe man als Kind nicht, erklärte sie sich selbst für 16 Jahre alt. "Straßenschläue" nennt das eine Psychologin der Jugendgerichtshilfe.

Am Mittwoch wurde die in einer Baracke in Srebrenica aufgewachsene Bosnierin als Mitglied einer auf Taschendiebstähle trainierten Kinderbande in Wien zu neun Monaten teilbedingter Haft verurteilt. Den unbedingten Teil von einem Monat hat sie in der fünfwöchigen U-Haft verbüßt. Sie wurde entlassen, zur "Drehscheibe" (soziale Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) gebracht, von wo aus sie bald wieder untertauchen dürfte.

An die erwachsenen Hintermänner der Organisation kommt man schwer heran. Ein Polizist erklärte im Prozess als Zeuge, die Bande sei 2006 schon einmal in Wien aufgefallen und 2012 wiedergekommen. Man habe Drahtzieher im Visier, aber "für eine Anklage reicht es nicht."

2006 hatte eine jugendliche Zeugin ausgepackt: Man werde von Schleppern nach Österreich gebracht, zum Stehlen ausgebildet und zur Geldbeschaffung ausgeschickt, wobei ein Mindestbetrag zu erbringen sei. Die Kinder werden darauf gedrillt, im Falle einer Festnahme anzugeben, dass man alles freiwillig gemacht habe.

2000 Euro Beute

Auch die 12-, 14-, 16- oder 18-jährige Sensa erzählte eingelernte Geschichten. Von der Richterin gefragt, was sie mit dem erbeuteten Geld aus den meist in U-Bahnen gestohlenen Brieftaschen gemacht habe, sagte die Angeklagte: "Ich habe damit Kleidung gekauft, bei H&M. Alles, was mir gefallen hat." Die Richterin zweifelt daran, denn zusammengerechnet waren es rund 2000 Euro: „Damit kann man bei H&M viel kaufen. Wo ist das viele Gewand?“ Sensa meint, in einer Tasche ihrer leider verschwundenen Mutter, die immer gewarnt habe: "Du darfst nicht stehlen, sonst landest du im Gefängnis."

Für die Richterin ist Sensa "gewissermaßen auch ein Opfer", am hohen Strafausmaß zur Abschreckung (für wen?) änderte das nichts.