"Ihr Bordell ist ab sofort illegal"
Von Nihad Amara
Guten Abend, Polizei!“ Die Begrüßung ist freundlich, aber bestimmt. Wolfgang Langer, Leiter des Prostitutionsreferats der Wiener Polizei, marschiert durch jedes Zimmer des Bordells und zählt laut auf: „Brandmelder okay, Fluchtweg auch, der Abzug läuft, ...“. Er braucht ein paar Minuten, um die Check-Liste, die er in- und auswendig kann, im Geiste abzuhaken. Einige Auflagen, die das Wiener Prostitutionsgesetz dem Betreiber auferlegt, sind erfüllt. Das Wichtigste fehlt aber – eine Einreichung zur Genehmigung.
50 Jahre lang blieben Rotlicht-Lokale in Wien sich selbst überlassen. Per Gesetz gab es sie gar nicht. Angemeldet waren sie als Pensionen oder Bars. Mit dem novellierten Wiener Prostitutionsgesetz, das am 1. November des Vorjahres in Kraft trat, wurden auch die rund 450 Animierlokale juristisch erfasst und ihr Betrieb an strenge Auflagen geknüpft. Ein Jahr lang hatten Lokalbesitzer Zeit, um ihre Etablissements ans Gesetz anzupassen (siehe Infobericht) . Die Bilanz ist ernüchternd: 30 von rund 450 Lokalen sind bewilligt, für 240 läuft das Verfahren, das bis Jahresende abgeschlossen sein muss. Geschätzte 180 Puffs ließen die Frist verstreichen.
Sie sind nun im Visier von Langer und seinen Kollegen. „Ihr Bordell ist ab sofort illegal. Sie dürfen es nicht mehr betreiben.“ Langer listet Punkt für Punkt auf, was nun zu tun ist. Die anwesende Frau, die den Chef vertritt, nickt im Drei-Sekunden-Takt. Aufsperren darf das Lokal erst wieder, wenn ein positiver Bescheid vorliegt. Das kann Wochen dauern.
Befugnisse
Für Langer gewinnen durch das neue Gesetz alle: Frauen seien sicherer; die Lokale seien sauberer; Betreiber erhielten Rechtssicherheit. „Das ist eine Win-win-Situation.“ Freilich hilft es auch der Polizei, die umfangreiche Befugnisse erhielt. Verstöße gegen das neue Gesetz sind teuer. Der Besitzer fasst 1000 Euro Strafe aus – im Wiederholungsfall bis zu 7000 Euro. Beim vierten Mal ist der Bogen überspannt und das Lokal wird geschlossen.
Im dämmrigen Licht des Lokals prüfen örtliche Polizisten geduldig die „Deckeln“ der Prostituierten und knipsen Beweisfotos. Etwas abseits verteilen zwei szenekundige Kriminalisten Visitenkarten. „Wenn es mal was gibt, einfach anrufen.“ Die Frauen nicken. „Sie sollen wissen, dass wir ihnen helfen“, erklärt einer. Die Image-Pflege ist wichtig, denn Lokal-Betreiber verbreiten häufig die Mär, dass die Polizei weder Freund noch Helfer sei. So isolieren sie die Frauen, machen sie abhängig.
Szenenwechsel: Ein Traditionslokal in Wien-Leopoldstadt. Erneut das gleiche Prozedere. Gast ist hier keiner. Ob sich die Chefin den Umbau leistet, ist fraglich. Im Rotlichtmilieu ist der Verdrängungswettbewerb spürbar. Bars schließen, Laufhäuser boomen – so sieht der Trend aus. „Wir sehen das neutral“, erzählt Langer. Schmuddellokale hätten aber keine Chance auf eine Bewilligung. „Regeln, saubere Lokale, das alles wird auch die Reputation der Frauen heben.“
Im Vorfeld setzte die Exekutive auf Aufklärung. Mehrmals wurden die Puff-Betreiber informiert. Viele ließen vorsorglich von selbst die Rollbalken runter.
Im 15. Bezirk ist die Bordell-Dichte hoch – jene der säumigen Lokale auch. Ein Salon, der im Verdacht steht, eine Minderjährige zu beschäftigen, ist die erste Adresse. Im Souterrain ist es stickig. Der Freier hockt mit hochrotem Kopf im Zimmer und traut sich nicht raus. Die besagte Frau ist 18 Jahre alt. Jedoch haben sie und eine zweite Dame keinen „Deckel“. Polizeijurist Langer ist für solche Fälle als „Schnellrichter“ befugt, sofort Strafmandate auszustellen. Die säumige Chefin erhält ihres per Post.
„Die Kasperln sind mir Wurst, ich hab’ einen Durst.“ Ein Souterrain-Bordell weiter lallt ein Gast vor sich hin, andere stänkern die Polizisten an. Angesucht hat die resolute Barfrau nicht: „Das ist Blödsinn, wir sind seit 20 Jahren da.“ Sie schiebt
eine Dokumenten-Mappe über die Bar. Langer blättert darin, bis er auf die erste Seite des Prostitutionsgesetzes stößt. „Sollen wir jetzt zusperren?“, fragt sie achselzuckend. Langer nickt.