Vor Abschiebung: Hoffen auf ein zweites Wunder
Von Daniel Melcher
Rami ist zwei Jahre alt und ein staatenloses Flüchtlingskind. Der Bub kam im September 2015 mit drei Monaten im Zuge der großen Flüchtlingswelle aus Syrien nach Österreich. Nicht nur seine Vergangenheit ist geprägt, auch die Zukunft des Kleinen ist ungewiss. Sein Asylbescheid wurde abgelehnt, gegen die Eltern wird zurzeit wegen Verletzung der elterlichen Sorgfaltspflichten ermittelt.
Was war passiert? Am 21. Juli kletterte der Zweijährige auf die Fensterbank in der Wohnung am Gertrude-Wondrack-Platz in Meidling und stürzte fünf Meter in die Tiefe. Die Mutter war für einen kurzen Augenblick nicht im Raum, holte aus der Küche ein Glas Wasser. Ramis Schwestern mussten das Unglück mitansehen. Der Zweijährige kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus und entging nur knapp einer Notoperation.
Muss zur Therapie
"Er lag ein Monat im Krankenhaus", erzählt Vater Yusuf M. (26), der zum Zeitpunkt des Vorfalles selber bei einem Arzttermin war. Mitte August konnte der Kleine dann aus dem Spital entlassen werden. "Jetzt muss er zur Therapie. Er hat Probleme mit der Achillessehne und kann nicht richtig aufsteigen. Das wird vermutlich noch Wochen dauern", erzählt der 26-Jährige. Dass Rami so ein großes Glück hatte und beinahe ohne bleibende Schäden davon kam, ist ein Wunder. Ein kleiner Lichtblick in der derzeitigen Situation der fünfköpfigen Familie. Denn wie es weitergeht, weiß Yusuf noch nicht. "Ich habe einmal Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid eingereicht", erzählt er. Wenn dieser abgelehnt werde, wird die Familie vermutlich in Schubhaft genommen. Denn für die subsidiären Schutzberechtigten ist die Aufenthaltsberechtigung nur noch bis 23. Februar aufrecht.
Warum der Antrag abgelehnt wurde, weiß Yusuf nicht. Beim Antrag habe er einen triftigen Grund angegeben. "Ich habe in Damaskus ein eigenes Geschäft gehabt und Hühnerfleisch verkauft. Die Terroristen wollten mich umbringen, weil ich es als einziger nicht schließen wollte." Als der dreifache Familienvater erfuhr, dass der IS am Vormarsch war, packte er die Sachen und verließ mit seiner Frau und den drei Kindern die Hauptstadt Syriens. "Danach ging alles ganz schnell", erzählt er.
Von Syrien ging es in die Türkei. "Einmal zu Fuß, einmal mit dem Bus nach Izmir. Dort waren wir drei Tage. Mit einem Boot sind wir über das Meer nach Griechenland gekommen. Ich habe für die ganze Familie 15.000 Dollar bezahlt. Es war sehr gefährlich", schildert er die dramatischen Erlebnisse.
Zukunft
Zu der Zeit war Rami gerade einmal zwei Monate alt. Die Reise führte sie dann über Mazedonien, Serbien nach Österreich. "Wir wussten nie, wo wir gerade sind und haben einmal ein Taxi, einen Bus und zum Schluss den Zug genommen. Am 16. September 2015 sind wir dann am Hauptbahnhof angekommen", sagt Yusuf.
Österreich habe er ausgesucht, weil er eine solide Zukunft für sich und seine Familie gesucht hatte. Diese hat er bisher nicht gefunden. Eine Flucht nach vorne, die doch keine war.