Chronik/Wien

Hilfe für Flüchtlinge: "Die Menschen hier sind alle Engel"

Es ist so ein gutes Gefühl, endlich hier zu sein." Shamel, seiner Frau Marian und den Töchtern Shad und Judy war die Erleichterung nach den Strapazen der vergangenen Tage anzusehen. Die Familie aus Syrien saß am Mittwoch bereits in aller Frühe im Wartebereich des Wiener Westbahnhofs, um den ersten Zug nach München zu nehmen. Die beiden Mädchen rutschten unruhig auf der Bank hin und her.

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Knapp 100 Flüchtlinge haben nach Angaben der Polizei im Verlaufe des Mittwochs den Wiener Westbahnhof erreicht. Zuvor hatten 71 Personen die Nacht in der gestern eingerichteten Notschlafstelle verbracht. Die Zahl der Feldbetten in diesem Quartier wurden am Mittwoch auf 200 Stück erhöht, sagte Alexander Tröbinger vom Roten Kreuz. Die ÖBB stellten zwei Stockwerke in einem leerem Bürogebäude neben dem Bahnhof zur Verfügung. Im Notquartier werden "diejenigen, die ohne Anschlusszug übernachten müssen, verpflegt und betreut", erklärte Georg Geczek vom Roten Kreuz. "Ab heute Abend sind sechs Mitarbeiter für die Betreuung hier, zwei Notfallsanitäter kümmern sich um akute medizinische Fälle", ergänzte Thomas Kiesling vom Samariterbund.

Manche stiegen erst gar nicht aus dem Zug, sondern reisten nach Salzburg weiter, um dort nach München umzusteigen. Das war ihnen von Mitarbeitern der ÖBB geraten worden. Die Helfer verteilten Wasser und Essen an die Neuankömmlinge, die aber bereits von der Bahn mit Getränken und Snacks versorgt worden waren. Die Schoko-Donuts waren bei den Kindern dennoch der Hit, wovon strahlende und schokoladeverschmierte Gesichter zeugten.

Impressionen vom Westbahnhof:

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Tickets weggenommen

"Die Menschen hier sind alle Engel", sagte eine Syrerin und lächelte erleichtert. Sie und ihr Sohn, der so erschöpft war, dass er schließlich von einer Caritas-Mitarbeiterin über den Bahnsteig getragen werden musste, richteten sich für einen Zwischenstopp in Wien ein. Sie mussten erst Tickets nach München erstehen. Manche Flüchtlinge erzählten, dass ihnen ihre Zugtickets von den ungarischen Behörden weggenommen worden waren.

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Die Neuankömmlinge mischten sich unter die Wartetenden, begeistert von der Hilfsbereitschaft der Österreicher. Syrer Shamel etwa berichtet, dass er und seine Familie endlich wieder gut geschlafen hätten. Insgesamt hatten rund 200 Menschen am Westbahnhof sowie am Salzburger Hauptbahnhof die Nacht verbracht. Sie wurden von den ÖBB, der Caritas und dem Roten Kreuz betreut. "Unsere Tochter ist krank, aber es war ein Arzt da und sie hat Medikamente bekommen", erzählte Shamel. "Wir sind den Leuten so dankbar." An Ungarn wollte er sich nicht zurückerinnern. "Das war die schlechteste Behandlung auf der ganzen Welt." Drei Tage hätten sie samt den Kindern in einem völlig überfüllten Gefängnis ausharren müssen. Erst nach der Registrierung hätten sie wieder gehen dürfen.

>> Spender-Guide für den Westbahnhof <<

Fahrten finden wie geplant statt

Indes bereiten sich die ÖBB auf einen möglichen weiteren großen Fahrgastabdrang vor. Täglich seien etwa 100 ÖBB-Mitarbeiter zusätzlich im Einsatz, heißt es von Sprecher Michael Braun. Das Ziel sei, alle Fahrten wie geplant durchzuführen und den Fahrplan einzuhalten. Täglich würden rund 12 Züge von Budapest in Wien ankommen, sechs würden nach München weiter fahren. Die Partner in Ungarn hätten laut Braun zugesichert, Überfüllungen der Züge schon am Abfahrtsbahnhof Budapest zu verhindern, damit die Übernahme durch die ÖBB am Grenzbahnhof Hegyeshalom rasch und reibungslos ablaufen kann. ÖBB-Mitarbeiter mit Ungarisch- oder Syrisch-Kenntnissen seien in Ungarn im Einsatz, um die Kommunikation mit den Behörden und Fahrgästen zu unterstützen.

Allerdings ist der Zugverkehr von Budapest nach Deutschland derzeit nur schwer planbar, es muss mit Verspätungen gerechnet werden.

Der Umgang mit den Flüchtlingen hat den ÖBB viele Sympathiepunkte eingebracht. Am Mittwoch setzte die Bahn eine weitere Maßnahme zur Unterstützung der Reisenden um: Informationsdurchsagen erfolgen an den relevanten bahnhöfen nun auch in arabischer und syrischer Sprache.