Hernals: Von den Schrammeln bis zum Rapper
Von Nina Oezelt
Bitte Einsteigen! Und zwar beim Schottentor in den 43er. Schon geht es los Richtung 17. Bezirk, Hernals.
1856 fuhr genau hier die erste Pferdetramway. Heute bringt die Bim (das Wiener Wort macht das Geräusch der Straßenbahn nach) in einer 23-minütigen Fahrt die Passagiere bis zur Endstation Neuwaldegg.
Erst wenn man über den Gürtel fährt, bei der U6-Station Alser Straße vorbei, nähert man sich dem Bezirk, der mit dem Schwarzenbergpark den ersten englischen Landschaftsgarten Wiens beherbergt.
Demografische Durchmischung
1892 wurde aus den Gemeinden Hernals, Dornbach und Neuwaldegg ein Bezirk. Noch heute spürt man die demografische Durchmischung, die Unterschiede im Bezirk.
Einerseits finden wir ein Viertel mit kommunalen Wohnhausanlagen, heruntergekommene Häuser, verlassene Lokale – auf der Jörgerstraße oder Hernalser Hauptstraße etwa – aber wenn man dann Richtung Neuwaldegg fährt, entdeckt man die nobelsten Villen der Stadt.
Herren von Als
Vorher aber: „Aussteigen bitte!“ Am Elterleinplatz ist das Zentrum des Bezirks, der nach dem Rittergeschlecht „Herren von Als“ benannt wurde. Von grüner Schönheit ist hier nichts zu sehen, eher eine Betonwüste.
Bis 2027 soll hier eine U5-Station entstehen. Elterlein, war der Bürgermeister in Hernals (1869 – 1881) und das ehemalige Rathaus, das Jugendstilhaus, ist jetzt eine Bank. Hier steht auch der Alszauberbrunnen.
Der Alszauberbrunnen am Elterleinplatz: 1935 und heute mit den Musikern bekannt als „Die Schrammeln“
Wer ist Schrammel?
„Wissen Sie, wer das ist?“, frage ich einen Passanten. Er blickt verdutzt auf die Musiker, die auf einem Brunnen sitzen. „Ich gehe hier jeden Tag vorbei, aber die habe ich noch nie gesehen“, sagt der Anrainer. Auch eine andere Dame, die Flyer für die Wahl verteilt, erkennt die Musikanten nicht.
Aber diese Musiker waren Superstars. Selbst Johann Strauß oder Brahms waren Verehrer des Schrammel-Quartetts.
Raunziges Chanson mit Geige, Gitarre und Harmonika
Die Musiker sind Johann Schrammel (Violine), Paul Fiebrich (Violine), Alfred Rondorf (Kontragitarre) und Willi Strohmayer (Harmonika). Die Schrammelbrüder (Johann und Josef) waren die Erfinder der Schrammelmusik.
Ihre Gruppe war im 19. Jahrhundert in Wien so bekannt wie später vielleicht Falco. Sie spielten in den Heurigen, komponierten mehr als 200 Lieder. Das Wiener Lied erreichte mit ihnen den Höhepunkt. Das Besondere war die Kombination von zwei Geigen, der Kontragitarre, Klarinette, später auch der Knopfharmonika.
Ihr Merkmal: weinende, raunzige, chansonartige Musik. In Hernals lebten die Schrammeln – in der Kalvarienberggasse/Rötzergasse.
Vorortelinie
Wir steigen wieder ein in die Straßenbahn – über die Hernalser Hauptstraße, vorbei an der Station Hernals. Die Trasse der heutigen S45 wird von den Wienern liebevoll „Vorortelinie“ genannt. Hier sieht man Jugendliche. Warum? „Bars für uns gibt es im Bezirk nicht, am Abend treffen wir uns bei der S-Bahn oder fahren in die Stadt“, erzählt ein 18-Jähriger.
Die Straßenbahn fährt weiter, beim Krankenhaus Göttlicher Heiland vorbei und plötzlich erblickt man ein einmaliges Panorama: Rechts die Weinfelder des letzten geschlossenen Weingartens Ried Alsegg, links die Gemeindebauten.
Endstation Italo-Rap
Bei der Endstation Neuwaldegg angekommen, kann man weiter in den Schwarzenbergpark gehen – oder wie viele andere joggen. Wieder musikalisch wird es aber in der goldenen Waldschnepfe (Dornbachstraße 88).
Hier spielten früher die Schrammeln, sogar für Kronprinz Rudolf. Heute kocht in dem Restaurant „Arco Adige“ Ciro Coscia (30). Was für ein Zufall: der Italo-Chefkoch alias „Hammer“ rappt für sein Leben gern. Aber leider nicht auf Wienerisch, sondern nur auf Italienisch.
Leben neben dem Friedhof
Der Hernalser Friedhof gilt als besonders schön, wie man in Wien sagt. Der „Bergfriedhof“ wurde am Abhang des Schafbergs angelegt. Ein neuerbautes Wohnhaus direkt neben den Gräbern ist noch nicht fertig, aber schon jetzt ist dort alles vergeben
Der Glockentausch
Für Ärger in Hernals sorgte ein Glockentausch: Der Kirchturm in Dornbach hatte nur zwei von vier Glocken. Pfarrer Wolfgang Kimmel organisierte mittels Crowdfunding 85.000 Euro und ließ die Glocke der Schafbergkirche eintauschen. Es kam zu Protesten
Jörgerbad
Früher hieß es „Kaiser Franz Joseph Bad“. Es wurde 1914 eröffnet und war das erste Volksbad der Stadt Wien