Chronik/Wien

Freispruch für HIV-Positiven

Eine Verurteilung, warnte Verteidiger Helmut Graupner, käme einer Bankrotterklärung der Aids-Politik gleich. Gestern, 11 Uhr, Landesgericht Wien: Die Staatsanwältin zitierte einen HIV-Positiven vor den Kadi. „Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“, warf sie ihm vor. Der Archäologe, 37, hatte seinem Partner, einem bis über die Ohren in ihn verliebten Zivildiener, eine Zeit lang seine Erkrankung verschwiegen. Es kam zu „Oralverkehr ohne Ejakulation“, stand in der Anklage. Der Widerspruch darin: Diese Safer-Sex-Praktik empfehlen offi­zielle Stellen HIV-positiven Menschen. „Daran hat sich mein Mandant gehalten“, betonte Graupner. Im Falle einer Verurteilung seien die Regeln hinfällig, schlussfolgerte er.

Der Angeklagte schilderte wortreich, wie er während der Beziehung die folgenschwere Diagnose erhalten hatte: In der Klinik riet man ihm, mit einem Outing vorsichtig zu sein. „Man hat mir die Safer-Sex-Regeln erklärt.“ Irgendwann outete er sich doch. Der Ex drohte mit einer Anzeige, die er nach drei Jahren (!) erstattete. Er forderte für seinen „seelischen Schmerz“ Schadenersatz. „Ich hab’ geglaubt, ich bin HIV-positiv.“

Graupner legte anhand eines Gutachtens dar, dass selbst bei Sex mit Kondom das Infektionsrisiko größer ist als bei der beschriebenen Praktik. Eine „ernstzunehmende Ansteckungsgefahr“ liege nicht vor. Richterin Eva Brandstetter sprach den Mann frei: „Sie haben sich richtig verhalten.“