Fast gäb's in Wien ein anderes Rathaus
Von Georg Markus
Es gehört ganz selbstverständlich zu Wiens Stadtbild. Das vis-à-vis vom Burgtheater gelegene Rathaus mit seinem hohen Mittelturm, der lang gezogenen Außenfront und den offenen Arkaden. Doch es gab auch andere Pläne. Weder Architektur noch Bauplatz standen fest, als die Stadtväter an ein neues Rathaus dachten. Vorerst sollte es anderswo stehen, nämlich am Stadtpark. 64 Projekte wurden eingereicht, ehe der Entwurf des Architekten Friedrich von Schmidt realisiert wurde.
Pläne
Pläne Im Wiener Stadt- und Landesarchiv hat man jetzt die alten Pläne ausgehoben, um sie diese Woche bei einer Tagung europäischer Stadthistoriker zu präsentieren: Kaiser Franz Joseph hatte 1857 die Schleifung der alten Stadtmauern und den Bau der Ringstraße angeordnet. Auf dem Prachtboulevard sollte neben privaten Häusern und Palais eine Reihe öffentlicher Gebäude entstehen, darunter Parlament, Burgtheater, Oper und das Rathaus.
Der Sitz der Stadtregierung war am Parkring, gegenüber vom Stadtpark geplant. Doch Bürgermeister Cajetan Felder wollte das Rathaus in der Nähe des Parlaments ansiedeln und kämpfte für den jetzigen Standort. Da dieser aber der k. k. Armee als Exerzierplatz diente, musste er sich erst gegen den hartnäckigen Widerstand der Militärs durchsetzen. Es sollte ihm mithilfe des Kaisers gelingen.
1868 wurde ein internationaler Architektenwettbewerb für den Bau des Rathauses ausgeschrieben, an dem sich Stadtplaner aus mehreren Ländern beteiligten. Von den 64 eingereichten Projekten kamen allein 18 aus Frankreich, darunter die Entwürfe, die die Plätze zwei und drei schafften.
Wäre die knappe Wahl der Jury anders ausgefallen, hätte Wien heute ein Rathaus nach Vorbild des Pariser Rathauses, doch dann setzte sich der Wiener Friedrich Schmidt mit seinem neugotischen Bau durch.
Eigene Kosten
Schmidt, von dem auch viele Kirchen in Wien stammen, verfolgte sein Werk mit großer Zähigkeit. So bemerkte er vor der Schlusssteinlegung des Rathauses am 12. September 1883, dass die Mansardendächer der Seitenpavillons nicht ganz zu seiner Zufriedenheit ausgefallen sind. Da der Gemeinderat die Mittel zum Umbau nicht bewilligte, ließ sie der Architekt auf eigene Kosten abtragen und erneuern. Zu Freunden sagte Schmidt: "Lieber bleibe ich ein armer Mann, als dass mir mein Rathaus nicht gelingt. Im Mittelalter mussten die Baumeister im Kampfe mit den Ratsherren die Köpfe lassen! Heutzutage nimmt man mit dem Geldbeutel vorlieb."