Chronik/Wien

Falschem Dschihadisten wurde Wohnung gekündigt

Welche Konsequenzen hat es, wenn jemand als Dschihadist verleumdet wird? Das wissen drei junge Muslime aus Wien-Margareten aus eigener Erfahrung.

Unter dem Titel "Exekutor löst in Wien Dschihad-Alarm aus" produzierte die Gratiszeitung Heute am 18. Februar eine Zeitungsente. An der Türschwelle hatte der Exekutor einen Säbel und eine Flagge mit arabischer Schrift gesichtet. 60 Beamte stürmten die Wohnung. Tags darauf dementierte die Polizei den Bericht: keine Maschinengewehre, keine IS-Flaggen, keine akute Terrorgefahr.

Für den Wohnungsmieter, Karim Beib Abdalla, 22, und seine Mitbewohner könnte der Vorfall im schlimmsten Fall den Verlust der Wohnung bedeuten – im besten Fall ist er höchst unangenehm. Abdalla, der gebetsmühlenartig betont, nichts für radikale Gedanken übrig zu haben, bekam vom Bezirksgericht Innere Stadt Post. Betreff: Aufkündigung der Wohnung. Die klagende Partei: Stadt Wien – beziehungsweise Wiener Wohnen. Aus dem Beschluss: "Die Wohnung dient dem Zusammentreffen extremistischer Personen, ..." Abdalla sagt: "Mir ist das zu viel." Er muss ein Rechtsmittel einlegen.

Wie kam es dazu? Eine Sprecherin von Wiener Wohnen betont, dass der "Beschluss nicht rechtskräftig ist". Basis sei nicht der Bericht, sondern die Amtshandlung sowie das Mietrecht. Sollten sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten, werde man die Aufkündigung zurückziehen. Wäre das vermeidbar gewesen? "Wir haben unser Recht in Anspruch genommen."

FPÖ setzt Gerüchte in die Welt

Die Bezirks-FPÖ goss danach Öl ins Feuer. In einem Postwurf fragte sie – nach dem Polizei-Dementi – die Grätzl-Bewohner: "Wussten Sie, dass in Ihrer Nachbarschaft Terroristen wohnen?" Der ehemalige Grüne-Nationalrat Karl Öllinger hat eine Sachverhaltsdarstellung wegen "Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte" gegen die FPÖ Wien an die Behörde geschickt. Der blaue Schrieb sei "ungeheuerlich". SPÖ und Grüne im Bezirk wollen sich per Resolution von der FPÖ distanzieren.

Nachtrag des Autors: Der Exekutor war wegen einer offenen Handyrechnung eines Mitbewohners vor Ort - und nicht wie im Forum vielfach unterstellt wegen eines offenen Mietzinses.