Nachts allein: Bub stürzte aus Fenster
Von Nihad Amara
Im Hof des Gemeindebaus in Wien-Margareten war das Unglück in aller Munde. An jener Stelle, an der am Dienstag um 1.15 Uhr ein unbeaufsichtigter Bub nach einem Fenstersturz verletzt am Boden gelegen war, diskutierten Anrainer. „Wie kann man ein Kind nachts alleine lassen“, fragte eine Bewohnerin, die durch den Vorfall aus dem Schlaf gerissen worden war. Gerüchte, wonach der Junge aus dem Fenster zwölf Meter in die Tiefe geworfen worden sein soll, ließen sich laut Polizei allerdings nicht bestätigen.
Kurz nach dem Unglück brachen WEGA-Beamte die versperrte Tür auf, fanden niemanden vor und erreichten die Eltern über eine auf einem Zettel niedergeschriebene Telefonnummer. Das lebensgefährlich verletzte Kind erlitt mehrere Knochenbrüche und schwere Kopfverletzungen und schwebt laut Auskunft des Krankenanstaltenverbunds in Lebensgefahr.
Wie in solchen Fällen üblich, laufen nun Erhebungen wegen einer mutmaßlichen Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 146 ABGB). Diese Pflicht der Eltern, Kinder vor Gefahren zu schützen und Situationen richtig einzuschätzen, ist allerdings in Österreich per Gesetz nur vage definiert.
„Große Unsicherheit“
„Natürlich ist eines klar: Einen Achtjährigen lässt man in der Nacht nicht alleine“, erklärt die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. Allerdings häufen sich bei ihr auch Anfragen von Eltern, die die rechtliche Lage ratlos zurücklässt. Es herrsche „große Unsicherheit“.
Was als unmittelbare Aufsicht verstanden wird, lässt das Gesetz offen. Praktische Tipps, wie etwa die Frage, ab wann ein Kind alleine den Schulweg bestreiten darf, lassen sich deshalb nicht ableiten. Laut Pinterits bleibe es bei Zwischenfällen den Gerichten überlassen, das zu konkretisieren. Entscheidend sind neben dem Alter auch die bisherigen Erfahrungen mit dem Kind und dessen Reife. „Ich rate immer dazu, vorsichtig zu sein“, sagt Pinterits. Nachsatz: „Passieren kann immer etwas.“
Derzeit stehen die Eltern unter Schock. Sie sollen demnächst einvernommen werden.
Anrainer Andreas Böck war als Erster zur Unglücksstelle geeilt: „Ich hab’ versucht, den Jungen zu beruhigen“. Sobald es dem Achtjährigen besser geht, will er ihn besuchen.
Ein vier Jahre altes Mädchen ist am Dienstagnachmittag in Wien-Landstraße aus einem Fenster im dritten Stock gestürzt. Das Kind erlitt nach Angaben der Polizei beim Aufprall auf dem Betonboden lebensbedrohende Verletzungen.
Nach Angaben des Wiener Krankenanstaltenverbundes war der Zustand des Kindes auch am Tag nach dem Unglück noch kritisch. Die Vierjährige befinde sich im künstlichen Tiefschlaf, sagte ein Sprecher.
Die Mutter der Kleinen hatte das schlafende Kind allein in der Wohnung gelassen, um mit einem weiteren Kind die ältere Schwester der Vierjährigen von der Volksschule abzuholen. Über die Umstände des Fenstersturzes gibt es nach Angaben von Polizeisprecher Roman Hahslinger keine Erkenntnisse. Das Mädchen sei von Passanten im Innenhof des Wohnblocks gefunden worden. Die Mutter werde wegen fahrlässiger Körperverletzung als Folge einer Verletzung der Aufsichtspflicht angezeigt. Der Vater befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks nicht zu Hause.