Chronik/Wien

Die wildeste Schmalzlocke der Welt

Eine rauchige Stimme und ein Rhythmus, bei dem die Füße nicht ruhig bleiben können. Dazu so viel Pomade im Haar, dass der Kopfpolster davon ganz fettig wird, und ein Kleiderschrank voller Tellerröcke. Für die Anhänger der Rockabilly-Szene sind die 1950er-Jahre das ganz große Vorbild.

Rockabilly, eine Mischung aus schwarzem Blues und weißer Country-Musik, entstand in den 1950ern in Amerika. In den 1980ern kam es zu einem Revival, das bis heute anhält.

Rockabilly ist für mich ehrliche, handgemachte Musik“, erläutert Musikerin Astrid „Chilli“ Rusnyak. „Die gibt es heutzutage gar nicht mehr so oft.“

Chilli & the Baracudas

Seit zehn Jahren macht die 31-Jährige Chilli Musik mit ihrer Band „Chilli & and the Baracudas“. Derzeit nimmt sie an der deutschen Casting-Show The Voice of Germany teil – und probt gerade eifrig für ihr nächstes Lied. „Ich habe sicherlich jeden Tag meine Gitarre in der Hand. Ich steh’ einfach auf diesen Rhythmus.“ Ihre erste selbstgekaufte CD war ein Rockabilly-Sampler. Mit 12 schrieb sie ihre erste Nummer. Und ist seitdem nicht mehr davon losgekommen.

Rockabilly Alexander Duffek erging es ähnlich: „Mit 14 Jahren habe ich mir das erste Mal Pomade in die Haare gegeben.“ Seitdem vergeht kein Tag mehr ohne.

Gemeinsam mit seinem langjährigem Freund Roland Guido Steiner organisiert er die derzeit größten Rockabilly-Events Wiens: Die Halbstark-Festivals in der Arena. Vier Mal jährlich werden hier nationale und internationale Größen versammelt. Dazu gibt es Vintage-Friseure, Make-up-Artists, Stände mit 50er-Jahre-Mode und Burlesque- Shows.

Österreich habe lange Zeit Nachholbedarf gehabt, meint Steiner. „Mit Halbstark wurde eine Lücke geschlossen.“ Zu den Festivals kommen 300 bis 600 Gäste. „Wir orientieren uns stark an den zwei großen Festivals, dem Viva Las Vegas und dem Rockabilly Rave in England.“ Steiner erläutert: „Rockabilly ist mehr als Musik oder Mode – es ist ein kompletter Lifestyle.“

Faszination Rebellion

Die Faszination daran? Alexander Duffek: „Als ich noch in die Schule ging, gab es einen Rockabilly-Musiker, ein Jahr über mir. Mit Lederjacke und Haartolle. Samstag nach der Schule wurde er immer von seiner Gang abgeholt. Er war einfach so unglaublich cool.“

Rebellisch und anders. So wie die großen Vorbilder Johnny Cash oder James Dean, so wollte man auch sein. „Früher waren dunkelblaue Jeans ja noch etwas Außergewöhnliches – und richtig schwer zu bekommen“, erzählt Duffek.

Mittlerweile gibt es auch Shops in Wien. Zum Beispiel „Kingpin“ in der Lindengasse (7. Bezirk).

Für manche Hardcore-Fans muss dabei wirklich alles stimmen. Steiner dazu: „In seltenen Fällen werden die Inhalte von Vintage Zahnpastatuben mit neuer Zahncreme gefüllt, um im 50er- Jahre-Bad keinen Fremdkörper zu haben.“

Pomade, Lederjacke und Rock’n’Roll

Rockabilly Rockabilly ist eine Spielart des Rock’n’Roll. Sie entstand Mitte der 1950er-Jahre in Amerika und ist eine Mischung aus schwarzem Blues und weißer Country-Musik.

Mode Kennzeichnend ist der „Greaser“-Look. Mithilfe von Pomade werden die Haare zu einer ausladenden Tolle geformt. Dazu eine Lederjacke. Frauen tragen Teller- oder Faltenröcke mit Petticoats.

Revival Anfang der 1980er-Jahre kam es zu einem Wiederaufleben des Rockabilly mit Konzerten, Oldtimer-Treffen und spezifischen Magazinen. Größtes Rockabilly-Event in Wien: Das Halbstark-Festival in der Arena.