Deutscher Islamist auf Wien-Besuch
Flughafen Wien-Schwechat am vergangenen Freitag um 18:30 Uhr: Mit einer halben Stunde Verspätung steigt Ibrahim Abou Nagie aus einer Airbus-Maschine aus Düsseldorf. Für deutsche Ermittler ist er einer der wichtigsten radikalen Prediger in der deutschen Islamisten-Szene. Sein Ziel für den nächsten Tag ist eine unauffällige Kellermoschee im zweiten Wiener Gemeindebezirk unweit des Prater.
Der Anlass des Besuchs ist ein ambitioniertes Projekt, bei dem in den kommenden Wochen tausende Koran-Exemplare verteilt werden sollen. Blaue Bücher werden an “Ungläubige” verschenkt, rote Koran-Ausgaben werden an Muslime verkauft, um so die Aktion zu finanzieren. Zahlreiche ähnliche Verteilaktionen fanden bereits in Frankfurt und Köln statt - nun ist Wien dran.
"Allah, lass mich als Märtyrer sterben"
Das Projekt wirkt auf den ersten Blick genauso harmlos wie Abou Nagie selbst. Der ehemalige Geschäftsmann ist immer fein gekleidet, drückt sich gewählt aus. Doch Abou Nagies Botschaften sind brisant. In einer Ansprache verherrlicht er zum Beispiel den Märtyrertod: “Möge Allah uns alle als Märtyrer sterben lassen. Das ist mein Wunsch. Und ich bitte Allah in jedem Gebet: Allah, lass mich als Märtyrer sterben”. Nach Abou Nagies Auslegung steht auf Homosexualität im Islam die Todesstrafe: “Und es gibt Muslime die Schwule sind. Und sie wissen gar nicht was Allahs Strafe für sie ist. Und der Prophet sagt: Deren Strafe ist die Todesstrafe."
Verbreitet wird die Hetze nicht nur in Moscheen, sondern auch auf der Homepage “Die Wahre Religion.” Die Seite gilt als Sammelbecken für die Botschaften radikaler islamistischer Prediger.
Claudia Dantschke, Islamismus-Expertin am Berliner Zentrum Demokratische Kultur, hält Abou Nagie für sehr gefährlich “weil er es schafft junge fundamentalistische Muslime weiter zu radikalisieren. Er fügt dem missionarischen Salafismus (radikale Strömung im Islamismus, Anm.) auch das radikale, das kämpferische Element hinzu. Nach dem Motto: Als Märtyrer sterben, darum sollten wir Allah bitten.”
Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Deutschen mit palästinensischen Wurzeln, der nach eigenen Angaben erst spät zum Islam gefunden hat. Der Vorwurf lautet unter anderem auf “öffentliche Aufforderung zu Straftaten.” Die Hauptverhandlung, die am Montag stattfinden sollte, wurde jedoch überraschend verschoben. Als Grund nannte die Staatsanwaltschaft in Köln “weiteren Ermittlungsbedarf”.
Vernetzt
Davon unbeeindruckt gab Abou Nagie am Samstag bei einer Veranstaltung in der Leopoldstädter Moschee den Startschuss für die Koran-Aktion in Wien: Tausende Bücher warten auf ihre Verteilung.
Der Besuch des Islamisten, der als eine der Leitfiguren der salafitischen Szene in Nordrhein-Westfalen gilt, fand aber nicht nur aus reiner Höflichkeit statt. Dem Vernehmen nach wollte man sich auch erkundigen, wie es um die Rekrutierung von Nachwuchs in Österreich stehe.
Neuformierung
Dabei behilflich ist ein aus Serbien stammender Sheikh, der bei dem Treffen am Samstag ebenfalls anwesend war. Der Wiener Islamist gilt als eine der Schlüsselfiguren im Netzwerk deutsch-österreichischer Hassprediger und hatte auch mit Mohamed M. engen Kontakt, nachdem dieser aus der Haft entlassen wurde.
Für Claudia Dantschke ist die Koran-Aktion Teil einer Neuformierung des radikalen Islamisten-Milieus: “Das ganze Jahr 2011 war für die salafitische Szene in Deutschland alles andere erfolgreich: Es gab sehr viel Aufmerksamkeit, die Szene hat sich stark zersplittert. Mit diesem Koranverteilungsprojekt versucht man nun, eine Vereinigung unter der eigenen Führung zu initiieren."
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