Deutsche Sprayer landeten in Wien vor Gericht
Wie schnell und dass man vor allem für geraume Zeit im Gefängnis landen kann, haben zwei junge Deutsche in Wien erfahren. Die beiden Männer - 21 und 26 Jahre alt - waren Ende Mai in die Bundeshauptstadt gereist, "weil sich in der Szene rumgesprochen hat, dass man hier relativ ungestört sprayen kann", wie der 26-Jährige am Freitag am Landesgericht erzählte. Nachdem sie Zuggarnituren der ÖBB und der Wiener Linien besprüht hatten, waren die beiden am 30. Mai festgenommen worden.
Seither saß der 26-Jährige, der drei Vorstrafen wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs aufweist, aber bis zu seiner Festnahme noch nie das Haftübel verspürt hatte, in U-Haft. Zur Verhandlung wurde er in Handschellen von einem Justizwachebeamten in den Gerichtssaal gebracht. Auf die einleitende Frage des Richters, wie es ihm gehe, meinte er, von den Haftbedingungen sichtlich mitgenommen: "Ich kam den ersten Monat sehr schlecht zurecht. Ich war sehr suizidal veranlagt. Aufgrund der Medikamente habe ich mich an den Alltag mehr oder weniger gut gewöhnt."
ÖBB forderten viel zu viel Geld
Der bisher Unbescholtene 21-Jährige war ebenfalls in U-Haft genommen worden, wo der äußerlich deutlich jünger Wirkende wochenlang auf der Erwachsenenabteilung in der überbelegten Justizanstalt Josefstadt einsaß, ehe Ende Juni einem Enthaftungsantrag seines Verteidigers Matej Zenz stattgegeben wurde. Ausschlaggebend für die Inhaftierung des 21-Jährigen dürfte vor allem gewesen sein, dass die ÖBB ihm ursprünglich einen Schadensbetrag von 100.000 Euro zurechneten. Was - wie sich nun in der Verhandlung herausstellte - massiv überzogen war. Die ÖBB machten vor Gericht - bezogen auf beide Angeklagte und mindestens zwei weitere unbekannt gebliebene Mittäter - einen Gesamtschaden von 18.000 Euro geltend, die Wiener Linien kamen auf insgesamt 18.500 Euro.
"Begonnen hat das damit, dass mir mit dem Auto nach Wien gefahren sind. Wir waren in Floridsdorf untergebracht", schilderte der 26-Jährige dem Gericht. Am 29. Mai besprühte er am Bahnhof abgestellte Züge, wobei er seinen Angaben zufolge bewusst darauf geachtet haben will, dass es sich um ältere Modelle handelte: "Ich habe die ausgewählt, die gerade ausrangiert werden. Das Model 4020 war deswegen interessant." Am selben Tag war er dabei, als mehrere Sprayer einen Betonsockel in Stockerau mit Graffiti "verzierten". Abgesehen vom Mitangeklagten, der "ein Bekannter" sei, habe er niemanden gekannt: "Man kennt voneinander nur die Vornamen. Die Szene ist relativ klandestin."
"Hätte es lassen sollen"
Als die beiden Angeklagten am 30. Mai Schienenfahrzeuge der Wiener Linien verunstalteten, wurden sie von der Polizei festgenommen. Zu seinem Motiv befragt, meinte der 26-Jährige: "Das ist ein Hobby, wo man sich ständig zwischen Legalität und Illegalität bewegt. Ich hätte es lassen sollen. Die Konsequenzen, die ich erfahren habe, machen mich sprachlos. Ich hätte damit nicht gerechnet." Nach seiner Enthaftung wolle er seinen Master in Politikwissenschaften machen.
Der 21-Jährige der Kunst studiert, erklärte dem Richter, er sei seit fünf Jahren in der Graffiti-Szene tätig, "in der Regel legal". Das sei aber nicht "meine Hauptbeschäftigung. Ich betätige mich anderweitig künstlerisch".
Am Ende wurde der 26-Jährige rechtskräftig wegen schwerer Sachbeschädigung zu zehn Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt verurteilt. Er muss noch eine Woche in der Justizanstalt Josefstadt absitzen, dann darf er nach Deutschland zurückkehren. Der 21-Jährige bekam eine Diversion, entging also - ebenfalls bereits rechtskräftig - einer Verurteilung. Er erklärte sich zur Übernahme eines Kostenbeitrags zum Strafverfahren in Höhe von 200 Euro bereit, der Richter ordnete außerdem eine Probezeit an.
Hinsichtlich der Schadensgutmachung einigten sich die jungen Deutschen im Rahmen der Hauptverhandlung mit den Vertretern der ÖBB und den Wiener Linien auf einen Vergleich. Den ÖBB werden sie ratenweise jeweils 5.000 Euro bezahlen, den Wiener Linien je ein Drittel der Summe, die das Unternehmen in einer Schadensaufstellung aufgelistet hatte.
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