Chronik/Wien

Der Wanderhirte von Wien

„Pinocchio, Lino, Pünktchen“, ruft Hirte Peter Christoph und raschelt mit seinem Brotsack. Die Schafe, die soeben noch gemächlich Gras rupften, blicken auf und galoppieren auf Christoph zu. Sie drängen sich nach vorne, steigen auf den Rücken des Nachbarn und versuchen, mit allen Mitteln das meiste Brot zu ergattern.

Was wie ländliche Idylle klingt, spielt sich tatsächlich in Wien-Sievering, nur ein paar Meter entfernt von der Höhenstraße ab. Hier macht Hirte Christoph derzeit mit seinen 26 Krainer Steinschafen Station.

Seit Ende April zieht der 52-Jährige mit seiner Herde über die Wiesen zwischen Sievering und dem Kahlenberg. Und kennt seine Schafe mittlerweile in- und auswendig. Schließlich verbringt er oft zehn bis zwölf Stunden am Tag mit ihnen.

Unwegsames Gelände

Die Funktion der Schafe: „Natürliche Rasenmäher“, erklärt Alexander Mrkvicka von der MA 49 (Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb). Denn es gäbe abschüssige Hänge, auf denen das Mähen mit Traktoren nicht gut möglich sei.

„Für die Schafe hingegen ist es hier optimal“, erklärt Christoph, während er den Kopf seines Lieblingsschafs Mütterchen krault. Es gibt genug Schatten, Bäume zum Kratzen und großteils sogar Quellwasser.

Ist eine Wiese abgegrast, wird weitergezogen. Dann bricht der gebürtige Tiroler mit seiner Gruppe um fünf Uhr morgens auf. Zu dem Zeitpunkt seien sie noch relativ ungestört.

Denn vor allem Spaziergänger mit Hunden können zur Gefahr werden. „Die Besitzer lassen ihre Tiere auf Wiesen gerne von der Leine. Der Hund läuft voraus, trifft auf meine Schafe und treibt sie auseinander“, erzählt der Hirte. „Und dann muss ich schauen, wie ich sie wieder zusammenbekomme.“ Deshalb appelliert er an das Verantwortungsbewusstsein der Hundebesitzer.

Straßenrowdy

Beim Weiterziehen komme es jedoch immer wieder zu Komplikationen. Letzte Woche erst musste Christoph mit seinen Schafen die Höhenstraße queren. Ein Lamm ging dabei verloren. „Es war von den Autos irritiert und lief in die falsche Richtung.“

Aber aufmerksame Autofahrer blieben stehen und brachten ihm den kleinen „Straßenrowdy“ nach. „Die Wiener haben also doch ein Herz für Tiere.“

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Christoph zieht bereits das zweite Jahr mit seiner Schafherde durch den 19. Bezirk. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, ist noch unklar. „Für die vielen Wiesen, die beweidet gehören, bräuchte man gut 100 Schafe mehr.“ Bedarf für die Tiere gäbe es in jedem Fall, bestätigt auch Mrkvicka.

Doch Christoph würde sich größeres Interesse für seine Tiere wünschen. „Es wäre schön, wenn wir beispielsweise mit den Döblinger Heurigen zusammenarbeiten könnten.“ Denn das Fleisch der Krainer Steinschafe sei von besonderer Qualität. Doch in Wien gäbe es ja kaum noch Fleischhauer. „Ist das nicht schwach?“