Chronik/Wien

Das Fahrrad als Symbol für Freiheit

Die ersten paar Meter muten noch etwas unsicher an, sobald das Rad aber in Bewegung ist, strahlen die Frauen. Die Musliminnen, die vor dem Stadion in Wien-Leopoldstadt radfahren, besuchen einen Kurs der Radlobby Wien. Seit 2012 bietet die Organisation gratis Trainings für Migrantinnen an, und die Kurse sind immer gut besucht. Der KURIER durfte die Frauen, die erstmals in die Pedale treten, einen Tag lang begleiten.

"Wir üben heute mit Citybikes. Die sind zwar etwas schwieriger zu fahren, aber die Frauen haben heute ihren zweites Training und machen das schon ganz gut", sagt Kursleiterin Aysel Kilic. Die Türkin sollte ursprünglich nur übersetzen, wurde dann aber selbst zur Trainerin. Es sei ein tolles Gefühl, den Frauen das Fahrradfahren beizubringen: "Man sieht sofort wie sehr sie sich freuen, wenn sie die ersten Meter am Rad gefahren sind." Das bestätigt auch Eliza Brunmayr, die von Anfang an Kursleiterin bei dem Projekt ist. Die Trainerinnen sind manchmal mit sehr speziellen Problemen der Frauen konfrontiert.

Kleider-Ordnung

Als Mädchen Radfahren zu lernen, ist in Österreich normal. In muslimischen Ländern aber nicht üblich. Manche Ehemänner wollen nicht, dass die Frauen eine Hose tragen, aber mit langen Gewändern ist es nicht möglich zu fahren. "Wir gehen da sehr pragmatisch damit um, binden die Kleider mit Gürteln hoch oder arbeiten mit Bändern, um das Fahren mit weiten Hosen möglich zu machen", erklärt Brunmayr. Das Kopftuch lassen die Trägerinnen einfach unter dem Helm auf. Es sei zwar heiß, funktioniere aber ganz gut, sagt eine Fahranfängerin. Nach dem Grundkurs gibt es auch noch Einheiten für Fortgeschrittene. Eine Araberin schaffte es sogar vom absoluten Neuling zur Trainerin zu werden.

Das Radfahren ist nicht nur eine sportliche Herausforderung, für die Migrantinnen bedeutet es ein Stück Freiheit. "Eine Dame hat zu mir gesagt, es fühlt sich an wie fliegen. Das Fahrradfahren zu lernen, macht sehr viel mit dem Selbstbewusstsein der Frauen. Sie blühen richtig auf und es ist etwas, das ihnen niemand mehr nehmen kann", sagt Brunmayr.

Asylwerberinnen

Dass die Kurse gut ankommen, zeigt die Zahl der Teilnehmerinnen, die seit 2012 konstant hoch ist. Als der KURIER beim Training dabei ist, sind zwölf Frauen auf den Rädern. Teilweise radeln mittlerweile auch Asylwerberinnen. Finanziert wird das Training von der Mobilitätsagentur Wien.

Das Konzept, Radfahr-Schülerinnen zu Trainerinnen auszubilden, soll zukünftig verstärkt umgesetzt werden.

Im Rahmen der KURIER-Aktion sucht die Redaktion weiter nach den "Angsstrecken" der Wiener. Welche Strecken in der Stadt vermeiden Sie? Wo ist es gefährlich? Senden Sie uns ein eMail und berichten Sie über Ihre Erfahrungen. Gemeinsam mit dem ARBÖ und der Radlobby werden die gefährlichsten Stellen dann besichtigt. sicheramrad@kurier.at