Bub in Hallenbad vergewaltigt: Sechs Jahre Haft
Ein 20 Jahre alter Flüchtling aus dem Irak, der sich am 2. Dezember 2015 im Theresienbad in Wien-Meidling an einem zehn Jahre alten Buben vergangen hatte, ist am Dienstag im Straflandesgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Unmündigen und Vergewaltigung verurteilt worden. Er erhielt sechs Jahre Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Dem Schöffensenat (Vorsitz: Norbert Gerstberger) erschien die verhängte Strafe bei einem Strafrahmen von bis zu 15 Jahren angemessen. Dem Angeklagten wurden seine bisherige Unbescholtenheit, sein Alter unter 21 und die "ungünstigen Lebensbedingungen" mildernd angerechnet. Der missbrauchte Bub bekam 4.730 Euro an finanzieller Wiedergutmachung zugesprochen. Der Angeklagte bat nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Roland Kier um Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.
Schwere Körperverletzung
Der Iraker war im September 2015 über die Balkanroute nach Österreich gekommen. Am ersten Verhandlungstag im vergangenen April hatte er zugegeben, den unmündigen Schüler an der Hand gepackt, in eine WC-Kabine gedrängt, die Tür von innen verriegelt und den Buben missbraucht zu haben. Zu den psychischen Folgen der Tat stellte Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter nun in einem Gutachten fest, dass der Bub seither an einer ausgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen ist.
Während der Erörterung des Gutachtens wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Staatsanwalt bemerkte allerdings in seinem Schlussplädoyer unter Berufung auf die Expertise, der Zehnjährige hätte nicht nur Hämatome und somit körperliche Verletzungen davongetragen: "Die Tat hat bei ihm eine tiefgreifende Verzweiflung ausgelöst." Arno Pajek, der Rechtsvertreter des Buben, betonte, er habe es in seinen 13 Jahren als juristischer Prozessbegleiter selten erlebt, "dass mit einer derartigen Brutalität gegen einen Minderjährigen vorgegangen wird. Er hat geweint, und er (der Täter, Anm.) hat trotzdem nicht aufgehört."
Für Verteidiger Kier war es demgegenüber "der leichteste Fall". In seiner Laufbahn habe er immer wieder Missbrauchsfälle erlebt: "Normalerweise sind das Familienväter, die jahrelang ihre Töchter missbrauchen." Im Unterschied dazu handle es sich bei der inkriminierten Straftat "rein rechtlich" um einen "Minimalfall, weil er drei, vier Minuten gedauert hat".
"Gelüsten nachgegangen"
"So etwas ist in jedem Land der Welt verboten"
Auf die Frage der Beamten, ob es nicht auch im Irak verboten sei, mit zehnjährigen Buben Sex zu haben, antwortete der Flüchtling: "So etwas ist in jedem Land der Welt verboten." Darüber hinausgehend räumte er ein: "Wenn Sie mir sagen würden, das Opfer ist jünger, würde ich es auch glauben."
Der schlaksige, beinahe noch jugendlich wirkende Angeklagte hatte im Irak als Taxifahrer gearbeitet. Im September 2013 heiratete er, seine Frau bekam bald danach ein Kind. Im August 2015 entschied er sich, den Irak zu verlassen, um für sich und seine Familie etwas aufzubauen.
Krisenintervention und Prozessbegleitung als erste Maßnahmen
Der Bub wurde unmittelbar nach dem traumatisierenden Vorfall an ein möwe Kinderschutzzentrum zugewiesen und ist seitdem in regelmäßiger Betreuung. Nach der notwendigen Krisenintervention wurde er durch eine Psychologin auf den bevorstehenden Prozess vorbereitet. Ziel der Prozessbegleitung ist es, betroffene Kinder bereits im Vorfeld zu stabilisieren und zu stärken. Während des gesamten Strafverfahrens stehen dem Buben und seiner Familie die möwe ProzessbegleiterInnen zur Seite. Ihre Aufgabe ist es, den Buben vor einer weiteren Retraumatisierung durch das Verfahren selbst zu schützen und die Belastungen während des Strafprozesses möglichst gering zu halten. Die Arbeit der Prozessbegleitung erfolgt in enger Kooperation mit dem juristischen Beistand und in Abstimmung mit den Bezugspersonen des Opfers.
Therapeutische Verarbeitung unter Einbeziehung der Familie
Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie von Missbrauchsopfern ist die Miteinbeziehung der Familie. Eine erfolgreiche Stabilisierung des Kindes kann nur dann erfolgen, wenn auch die wesentlichen Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister, … entsprechend begleitet werden. Gemeinsam werden vorhandene Ressourcen aktiviert und der Weg zurück in einen gesunden Alltag gesucht.
„Nach den Belastungen des Verfahrens und dem großen medialen Interesse braucht es für die Familie jetzt dringend möglichst viel Ruhe und Normalität, in der die therapeutische Verarbeitung der Geschehnisse möglich wird“, sagt Mag. Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin der möwe und fügt hinzu: „Aus unserer jahrelangen Erfahrung wissen wir, dass der Missbrauch durch einen Fremdtäter mit Expertenunterstützung gut verkraftet werden kann. Wir sind zuversichtlich, dass auch hier ein guter Umgang mit den traumatischen Erlebnissen möglich ist.“
Über die möwe
Die möwe betreut in 5 Kinderschutzzentren in Wien und Niederösterreich jährlich mehr als 4000 Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen, die Erfahrungen mit physischer, psychischer oder sexueller Gewalt machen mussten oder machen. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich bei den Tätern um Personen aus dem sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen. Dank Leistungsverträge mit den Gebietskrankenkassen und öffentlicher Förderungen können die möwe Leistungen (Therapie, Prozessbegleitung, Diagnostik und Beratung) den Betroffenen niederschwellig und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
So erreichen Sie die möwe Kinderschutzzentren:
Die möwe – Wien 01 532 15 15 ksz-wien@die-moewe.at
Die möwe – Mödling 02236 866 100 ksz-moedling@die-moewe.at
Die möwe – Neunkirchen 02635 66 664 ksz-nk@die-moewe.at
Die möwe – St. Pölten 02742 311 111 ksz-stp@die-moewe.at
Die möwe – Mistelbach 02572 20 450 ksz-mksz-mi@die-moewe.at
Weitere Kontakt- und Informationsstellen nach Gewalt und Missbrauch an Kindern:
www.rataufdraht.at Rat auf Draht
www.pb-fachstelle.at Psychosoziale Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche
www.gewaltinfo.at
www.kija.at Kinder und Jugendanwaltschaften