Chronik/Wien

Alte Trasse soll Park und Start-Up-Quartier werden

Von den roten Backsteinbögen bröckelt der Mörtel; im alten Gleisbett wuchert das Unkraut. Seit 19 Jahren steht die ehemalige U6- und Stadtbahn-Trasse zwischen Spittelau und Heiligenstadt leer. Vor einigen Jahren kam das erste Mal der Vorschlag, die Trasse nach dem Vorbild der New Yorker High Line – ein Park auf einer stillgelegten Hochbahn-Trasse – für Spaziergänger zugänglich zu machen (wir berichteten, siehe unten). Nun haben die Wiener Neos zudem ein Konzept entwickelt, mit dem die denkmalgeschützten Stadtbahnbögen (derzeit im Besitz von ÖBB und Wiener Linien) nicht nur Flanierern, sondern auch Start-up-Unternehmern und Jugendlichen zugutekommen sollen.

Made in Vienna

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"Wir möchten eine ,shared Factory‘ anstatt der trostlosen Lagerräume einrichten", sagt Beate Meinl-Reisinger, Spitzenkandidatin der Wiener Neos. In dem Quartier sollen Produkte unter dem Label "Made in Vienna" entstehen. Jungunternehmer können sich um Plätze in den Gemeinschaftsbüros bewerben; die passende technische Infrastruktur würde zur Verfügung stehen. "Start-ups müssen ihre Produkte in kurzer Zeit zur Marktreife bringen. Sie brauchen flexible Strukturen. In Österreich mangelt es noch am Verständnis für diese neue Wirtschaftswelt", sagt Meinl-Reisinger. "Aber wenn die Unternehmer keinen passenden Nährboden finden, wandern sie aus."

Neben den Büros sollen Künstlerateliers und ein junges Kulturzentrum in den Bögen Platz finden. Für Sportliche soll es einen Skaterpark und eine Boulderstrecke geben. Somit soll das gesamte Grätzel zwischen Spittelau und Heiligenstadt belebt werden. Denn, so Meinl-Reisinger: "Vor allem für Jugendliche gibt es hier kaum Freizeitangebote."

Der Stadt würde das Projekt rund 125 Millionen Euro kosten. "Das ist zwar viel Geld", räumt Meinl-Reisinger ein. Aber in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren wäre das finanzierbar. "Außerdem muss man sich vor Augen halten, wie viel Geld die Stadtregierung für andere, kaum zukunftsweisende Projekte ausgibt."

Vergangenes Jahr war ich in New York. Ich erzähle das, weil ich gestern in der U-Bahn daran denken musste. Grund war die verwaiste Stadtbahntrasse. Wer öfter mit der U4 von der Spittelau nach Heiligenstadt fährt, weiß, wie diese dort traurig vor sich hin verfällt.

In New York hat man aus solch einer verwaisten Bahntrasse einen Park gemacht: die High Line. Nun gehört die High Line nicht zu meinen schönsten Urlaubserinnerungen. Schließlich habe ich dort ein von eiskaltem Wind und Regenguss durchkreuztes Picknick durchlebt. Inklusive Soßen-durchtränkter Tacos, die eine Sturmböe auf meine dann ebenso Soßen-durchtränkte Hose katapultierte.

Aber dafür kann die High Line ja nichts. Denn die ist eine grandiose Sache. Zum Spazieren, Sitzen, Architektur Bestaunen. Das würde ich mir auch für Wien und die seit 1996 verwaisten Bahntrasse wünschen. Die Idee ist nicht neu, aber sie ist gut.

Angefangen hat die High-Line-für-Wien-Sache mit Michael Hierner. Seit vier Jahren hat Hierner schon die Vision: Einen neuen Park aus der stillgelegten Bahnstrecke machen. Dafür hat er schon an allerlei Türen angeklopft: Bei Maria Vassilakou war er, ebenso beim Bundespräsidenten. Die Idee, ja, die findet jeder gut. Aber da gibt es auch ein paar Probleme: Die Trasse gehört den Wiener Linien, aber auch den ÖBB. Sie darf zudem nur minimal verändert werden, da sie unter Denkmalschutz steht.

Hierner hat alles bedacht und ein Konzept ausgearbeitet. Ohne Architekturstudium, dafür mit viel "Bauchgefühl". Die etwa ein Kilometer lange Trasse soll nicht nur ein Park mit Ausblick werden, sondern ein Kunstraum für Wiener und Touristen. Ein Glashaus ist angedacht, ebenso ein Open-Air-Kino. Die Umgebung würde aufgewertet, neue Lokale, Wohnungen, Hotels könnten folgen.

Neben dem goldenen Schlot der Müllverbrennungsanlage hätte die Gegend also endlich eine Sehenswürdigkeit. Vielleicht ringt sich ja doch noch wer von den Verantwortlichen durch. Für ein bisschen New York in Spittelau. Aber ohne Tacos auf der Hose.