Chronik/Wien

Alkohol-Stopp in türkischen Lokalen

Das Etap in der Neulerchenfelder Straße in Wien-Ottakring wurde neu übernommen. Der Sohn des Ex-Besitzers führte eine Neuerung ein, die so manchen Stammkunden überrascht: Es wird von nun an kein Alkohol mehr in seinem Lokal verkauft.

Yunus Kocak, der neue Besitzer, ist mit seinem neuen Konzept nicht alleine. Immer mehr muslimisch geführte Lokale entscheiden sich dafür. Berivan Aslan von den Grünen sagt dazu: „Es ist ein Trend aus der Türkei, dass sich die Zahl der alkoholfreien türkischen Restaurants vermehrt.“

Angst vor Denunzierung

Besonders AKP-nahe Unternehmen seien vom Einfluss aus der Türkei betroffen, heißt es von einem Insider, der aus Angst vor Drohungen namentlich nicht genannt werden möchte. Er befürchtet außerdem, dass jene Lokale, die weiterhin Alkohol ausschenken, ausgegrenzt werden und jene Menschen, die sie besuchen, als schlechte Muslime und Vaterlandsverräter bezeichnet werden.

„Andererseits dürfen auch jene Restaurants, die Alkohol verkaufen, nicht stigmatisiert werden. Es ist wichtig, dass alle einen fairen Wettbewerb haben, deswegen muss man aufpassen, dass die Unternehmensfreiheit ausgelebt werden kann“, sagt Aslan.

Birol Kilic, der Obmann der türkischen Kulturgemeinde Österreich, beobachtet die Entwicklung aufmerksam: „Alkohol ist im Koran zwar verboten, es steht aber nicht geschrieben, dass man nicht in ein Lokal gehen kann, wo Alkohol angeboten wird.“ Für ihn bedeutet der Trend, keinen Alkohol anzubieten, das Aufbauen einer Wir- und Ihr-Gesellschaft.

„Der Koran fordert, dass man sich, wo man hingeht, an die regionalen Werte und Gesetze anpasst und nicht eine Gesellschaft in der Gesellschaft gründet.“
Schon im letzten Sommer hatten die ersten Lokale begonnen, keinen Alkohol mehr anzubieten. Kilic spricht inzwischen von etwa 20 Lokalen. Das Etap ist eines der bekanntesten Adressen, wo Essen aus Kleinasien angeboten wird, weshalb es hier besonders auffällt.

Unangenehmes Thema

Der neue Besitzer begründet seine Entscheidung so: „Ich hatte davor ein Lokal in Favoriten, wo auch kein Alkohol angeboten wird. Das Konzept mochte ich und wollte es jetzt auch beim Etap anwenden.“ Auswirkungen auf seine Kundschaft hätte das nicht. Dass die neue Geschäftsstrategie auf Widerstand stoßen könnte, ist Kocak aber wohl bewusst. Beim KURIER-Lokalaugenschein am Montag hielt sich der Restaurant-Betreiber nämlich plötzlich bedeckt, wollte sich nicht mehr zu dem Thema äußern.

Eine Einstellung, die viele seiner Landsleute und andere Migranten aus dem arabischen Raum teilen dürften. Am Brunnenmarkt – ausgerechnet im Wiener „Bier-Bezirk“ Ottakring – nahe des Etap, wurde das Gespräch von allen Befragten sofort abgebrochen, sobald das Thema Alkohol aufkam.

In Wien gibt es übrigens schon zahlreiche Kebab-Stände, die kein Bier oder nur alkoholfreies verkaufen. Beim Lokalaugenschein in Favoriten zeigte sich, dass es hier in einigen Lokalem schon seit Jahren Usus ist, keinen Alkohol auszuschenken: „Hier leben so viele Türken, da ist es egal“, meint ein Betreiber. In den Kent-Restaurants gibt es dagegen weiter Alkohol.

Thomas Schmidinger ist Politikwissenschafter und Experte für den Nahen Osten.

KURIER: Warum ist ein Alkoholverbot aus Ihrer Sicht problematisch?
Thomas Schmidinger: Es erzeugt stärker segregierte Räume, was politisch problematisch ist. Jeder kann entscheiden, was ausgeschenkt wird. Ich wäre aber nicht dafür, da rechtlich einzugreifen. Erst wenn es zum großen Trend werden würde und in türkischen Lokalen generell kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden würde, dann vielleicht. Davon sind wir aber weit entfernt.

Was bedeutet es für das Zusammenleben, wenn sich mehr Lokale für ein Alkoholverbot entscheiden?
Es gibt weniger Räume, wo sich verschiedene Menschen mit verschiedenen Überzeugen in einem gemeinsamen Raum treffen.

Woher kommt der Trend in Österreich jetzt?
Für mich kann er nicht losgelöst von den politischen Entwicklungen in der türkischen Community gesehen werden. Es hängt mit dem Gesamttrend zusammen und ist ein Spiegelbild der politischen Entwicklungen in der Türkei.

Gib es einen Unterschied, ob ein Lokal von Beginn an keinen Alkohol anbietet oder sich erst später dazu entscheidet?
Bei einem Lokal, das von Beginn an keinen Alkohol ausschenkt, weiß ich von Anfang an, woran ich bin. Aus einem erweiterten Wohnzimmer vertrieben zu werden, ist weniger lustig. Da haben viele muslimische und österreichische Stammgäste Alkohol getrunken. Das ist meine persönliche Einschätzung und die von anderen Stammkunden.