Chronik/Wien

AKH: 807 Patienten bis in 60er-Jahre absichtlich mit Malaria infiziert

Jahrelang gab es Anschuldigungen seitens ehemaliger Patienten, welchen das Wiener AKH ohne eindeutige Fakten oder Beweise gegenüberstand. Bis zum Mittwoch, denn nun wurden die Ergebnisse einer zweijährigen Studie zu einem der dunkelsten Kapitel der österreichischen Medizin-Geschichte präsentiert – mit teils erschreckenden Erkenntnissen.

So fanden die Experten heraus, dass insgesamt 807 Patienten belegbar mit dem Malariaerreger infiziert wurden, um durch das entstehende Fieber psychische Erkrankungen zu therapieren. Unter den Infizierten waren 35 Kinder. Die Dunkelziffer könnte aber noch um einiges höher sein, denn ein Drittel der Kinder-Krankenakten wurde vernichtet.

Infektion zur Erhaltung

Das größte Fragezeichen in dem Fall steht aber hinter der Zulässigkeit beziehungsweise der Ethik dieser Methode. Laut dem Leiter der Kommission, Gernot Heiss, war die Fiebertherapie nach "damaligen Anschauungen zulässig". Dennoch räumt der Historiker ein, dass diese Methode nach Kriegsende im deutschsprachigen Raum nicht mehr angewandt wurde. Die Studie zeigt auch, dass im Jahr 1959 kein einziger Patient mit dem Malariaerreger behandelt wurde. Danach bestellte man neue Erreger aus einem Tropeninstitut in Hamburg, um damit die Malaria-Therapie fortzusetzen. Forschungsstudien dazu gibt es aus der Zeit keine. Eine Erklärung für das Festhalten an der Methode finden die Experten in der großen Anerkennung der Entwickler. Julius Wagner-Jauregg erhielt dafür 1927 einen Nobelpreis.

Das wohl brisanteste Detail der Studienergebnisse ist, dass 20 Patienten zur Erhaltung des Malaria-Erregers infiziert wurden. In deren Akten bezeichnete man sie damals als sogenannte "Stammträger". "Wegen der beschränkten Haltbarkeit des infizierten Blutes mussten in der klinischen Praxis regelmäßig Patienten neu infiziert werden", heißt es in einer Aussendung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Studie – sie alle wollen anonym bleiben.

Mitarbeiter distanziert

Der Wunsch zur Anonymität der Forscher entstand aus einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Mitarbeitern und dem Leiter Gernot Heiss. Während der ausschließlich die medizinische Seite untersuchte und nur Ärzte befragte, hielten es die Forscher für notwendig, auch die Erfahrungen von Betroffenen in die Studie mit aufzunehmen. "Die Frage ob die Patienten oder ihre gesetzlichen Vertreter der Behandlung zustimmten, wurde im Projekt nicht gestellt", kritisierten die Forscher.

Sollten die betroffenen Patienten weiter auf Schadenersatz pochen, kann nun die Studie als Grundlage herangezogen werden.