Chronik/Wien

Ärztin soll Krankenkasse um 245.000 Euro betrogen haben

Ein praktischer Arzt, der nach der Position 761 des Tarifs der Krankenkasse eine "ausführliche therapeutische Aussprache" mit einem Drogenkranken absolviert, darf dafür 26,40 Euro verrechnen. Das Gespräch sollte mindestens zehn bis 15 Minuten dauern, sich um die Dosis des Ersatzmedikaments und die Risiken drehen sowie emotionale Unterstützung und psychosoziale Begleitung beinhalten.

Einmal kurz die Tür vom Behandlungszimmer in den Warteraum zu öffnen und nur zu fragen: "Wie geht’s Ihnen? Eh gut?", reicht wohl nicht. Genau das soll die Wiener Ärztin Irmgard S. in ihrer Ordination in Liesing aber bei mindestens 137 Patienten praktiziert und trotzdem jeweils den höheren Tarifsatz kassiert haben. Insgesamt hat sie laut Anklage die Wiener Gebietskrankenkasse zwischen 2002 und 2012 um 245.000 Euro betrogen, am Mittwoch stand die 57-Jährige deshalb vor Gericht.

Der Staatsanwalt sagt, alle 137 Patienten hätten als Zeugen ausgesagt, die Ärztin habe sich im Schnitt bloß 2,4 Minuten mit ihnen befasst.

Die Angeklagte erklärte sich nicht schuldig. Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung sehe sie ihren Substitutionspatienten (im Drogenersatzprogramm, Anm.) "bereits beim Hereinkommen" ihr Befinden an: "Ich kenne die ja schon sehr lange. Gang, Ausdünstung, ob er nach Cannabis riecht, Augen, Nase, Lippen, ob die blau sind oder nicht, das reicht." Bei Hinweisen auf eine Beeinträchtigung habe sie die Gespräche natürlich vertieft. Aber selbst bei einer kurzen Visite, an deren Ende sie ein Dauerrezept ausstellte, wären ihr die 26,40 Euro zugestanden: "Suchtgiftpatienten sind schwierige Patienten. Sie lügen, betrügen, machen alles kaputt. Das muss honoriert werden. Kollegen rechnen das sicher genau so ab."

Der Prozess wurde vertagt.