Chronik/Wien

67 Messerstiche bei Mord: Prozess vermutlich in Wien

Mit 67 Messerstichen wurde ein 26-jähriger Deutscher in Berlin getötet. Wie berichtet, wurde Patrick H., ein 24-jähriger Jus-Student aus Wien, in der Nacht auf Sonntag in einer Straßenbahn in Floridsdorf verhaftet. Er gilt als Hauptverdächtiger.

Bisher fehlt laut seinem Anwalt Rudolf Mayer noch das Auslieferungsersuchen aus Berlin, aber alles deutet darauf hin, dass der Prozess in Wien stattfinden wird. Denn H. müsste der Auslieferung zustimmen. Das gilt als unwahrscheinlich, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat. Ein sogenanntes Inlandsverfahren wurde bereits eingeleitet.

Nur Totschlag?

Laut Mayer hat der Student bisher bei den Vernehmungen wenig ausgesagt, er räumte nur ein, zum Tatzeitpunkt in Berlin gewesen zu sein. "Aufgrund der vielen Messerstiche kann man aber davon ausgehen, dass das nur in einer heftigen Gemütsbewegung war", sagt Mayer zum KURIER. Damit wäre nur Totschlag anzuklagen und der Strafrahmen mit zehn Jahren Haft begrenzt. Einem vereinfachten Auslieferungsverfahren habe sein Mandant jedenfalls nicht zugestimmt. Die Staatsanwaltschaft Berlin hofft hingegen darauf, dass der Prozess um den "Mord im Stiegenhaus" doch noch in Deutschland stattfindet. "Wir möchten den Herrn hier haben", sagte Behördensprecherin Sabrina Budach.

Fest steht, dass Österreich nur in ganz wenigen Fällen Österreicher ans Ausland ausliefert. Zwar sind die Regelungen zum EU-Haftbefehl im Verfassungsrang, aber gleichzeitig verbietet die österreichische Verfassung eine Auslieferung. Die Schwere des Deliktes und der Staat, der es verhandeln will, spielen dabei keine Rolle. Eine endgültige Entscheidung wird wohl erst in den kommenden Wochen fallen.

Die Kriminalisten saßen in Zivilkleidung in der Straßenbahnlinie 26 in Wien-Floridsdorf. Sie hatten Patrick H. schon länger verfolgt. Jetzt warteten sie auf einen günstigen Moment. Kurz vor 23 Uhr, nahe der Nordbrücke, war er gekommen. Vor mehreren Zeugen stürmten die Ermittler auf den 24-Jährigen zu und legten ihm noch im Waggon Handschellen an.

Patrick H., 24, Jusstudent, steht unter dringendem Mordverdacht. Berliner Kriminalisten fahnden seit Mittwochvormittag fieberhaft nach dem Wiener. Sie glauben, dass er hinter dem „Mord im Stiegenhaus“, wie deutsche Medien die Gewalttat umschreiben, steckt.

H. führte eine Fernbeziehung – zwischen Wien und Berlin. Vielleicht scheiterte es daran. Im Leben seiner Ex , 28, gab es einen neuen Mann.

Der Jusstudent dürfte rasend vor Eifersucht gewesen sein. Das glauben die deutschen Ermittler. Am Mittwoch betrat er den Wohnbau seiner Freundin, das Excelsior-Hochhaus in der Stresemannstraße in Berlin-Kreuzberg.

„Mehrere Messerstiche“

Was sich in und vor der Wohnung im zehnten des sechzehnstöckigen Wohnbaus abspielte, ist noch nicht restlos geklärt. Ein Nachbar, aufgeschreckt durch Lärm und Schreie, betrat den Flur und fand Patrick H.s Nebenbuhler blutüberströmt am Boden. Ein Notarzt versuchte vergeblich, den 26-Jährigen zu retten. „Der Mann starb an mehreren Stichverletzungen“, erklärte später eine Polizeisprecherin. Die Ex-Freundin soll sich in der Wohnung befunden haben. Der Täter flüchtete. Mieter sahen, wie ein junger Mann in einem blutgetränkten, grauen Pullover davonlief. Die Polizei sperrte mehrere Stockwerke des Hauses und suchte mit Spürhunden nach dem Flüchtigen.

Die Mordgruppe 4 des Landeskriminalamtes Berlin erließ kurz darauf einen europäischen Haftbefehl gegen H. Der Jusstudent ist nun in Wien in Haft und soll ausgeliefert werden. Hat er den 26-Jährigen „abgepasst“ oder war ihre Begegnung reiner Zufall? Antworten darauf bleibt er schuldig. Er habe aber „die Tat in Teilen gestanden“, hieß es.