Chronik/Wien

460.000 Wiener arbeiten ehrenamtlich

Seit mehr als zehn Jahren bietet der pensionierte IBM-Manager Erwin Zwölfer in einem Nachbarschaftszentrum des Wiener Hilfswerks Computerkurse für Senioren an. Auch Christian Bodnarovsky hilft bei der Organisation mit. Er übernimmt seit drei Jahren Botengänge. Eine Teillähmung seiner Gliedmaßen ist kein Hindernis. Die beiden sind nicht der Einzige.

Rund 3,3 Millionen Österreicher (46 Prozent der Bevölkerung) engagieren sich freiwillig. In Wien sind laut einem Bericht des Sozialministeriums knapp 30 Prozent der Erwachsenen in Vereinen oder Organisationen tätig, das sind mehr als 460.000 Wiener. Gar 47 Prozent sind informell, etwa in der Nachbarschaftshilfe aktiv.

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Fünf Wochenstunden

Ein ehrenamtlich Tätiger wendet durchschnittlich vier bis fünf Stunden pro Woche auf. "Die Menschen beziehen oft großen Selbstwert durch das Ehrenamt", sagt Heiko Nötstaller vom Wiener Hilfswerk. Allein dort engagierten sich im Vorjahr 1234 Wiener, die 44.288 Stunden leisteten. "Heuer gibt es den Trend, dass sich vor allem Junge engagieren", sagt Freiwilligen-Manager Martin Oberbauer. Doch auch die 50 bis 70 Jährigen seien sehr aktiv. "Durch die Flüchtlinge wurde die Zivilgesellschaft geweckt." Viele seien aber eher kurzfristig tätig. Das Aufgabengebiet stehe im Vordergrund. Und so würden die Helfer rascher von einer Organisation zu einer anderen wechseln. Das stellt dese vor neue Herausforderungen. "Die Organisationen sind da gerade dabei ihre Strukturen umzustellen", sagt Oberbauer.

Dass sich viele eher kurzfristig engagieren, merkt man auch beim Samariterbund. In Wien sind es derzeit knapp 1800 Personen, die helfen. "Die, die langfristig Zeit haben, sind eher Pensionisten", sagt Sprecherin Corinna Dietrich. Das kann Hannelore Erdle bestätigen, die für die Organisation eine Therapiehunde-Staffel aufgebaut hat. "Richtig engagiere ich mich seit neun Jahren, seit ich in Pension bin", erzählt sie. Davor ist sich ein Ehrenamt bei der ehemaligen Kindergartenleiterin nicht so gut ausgegangen.

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Aktuell ist laut Dietrich das Interesse an der Flüchtlingshilfe groß, gefolgt vom Besuchsdienst, den Sozialmärkten und dem Rettungs- und Krankentransport. "Ich glaube, dass alle NGOs ohne das Ehrenamt nicht existieren könnten", meint Dietrich.

"Es gibt den Leuten einfach viel. Es ist ein geben und ein Nehmen", sagt Caritas-Sprecher Martin Gantner zur Motivation der Menschen, freiwillig und unentgeltlich zu helfen. Die Caritas hat dabei vielleicht sogar die meisten Helfer. 11.600 engagieren sich in Wien - quer durch alle Altersgruppen.

Am Tag des Ehrenamtes am 5. Dezember, fordern die Organisationen dennoch bessere Rahmenbedingungen und mehr Anreize für Freiwillige. Samariterbund-Geschäftsführer Reinhard Hundsmüller etwa tritt für die Anrechnung der freiwilligen Tätigkeiten bei Berufsausbildung oder Pensionszeiten ein.

Wer sich ehrenamtlich betätigen will: Auf der Plattform "Freiwillig für Wien" werden regelmäßig alle Angebote gelistet. Allein dort wurden 2015 20.000 schriftliche Anfragen gestellt:

Infos: Netzwerk "Freiwillig für Wien"