Chronik/Wien

20 Jahre Haft für Mord an Opernball-Debütantin

Wie hält man das  aus, als Eltern, wenn nachts eine SMS mit dieser Botschaft kommt: „Es tut mir von Herzen leid, ich habe eure Tochter Claudia ermordet“?

Der Gerichtsmediziner hat 24 Messerstiche und 14 Schnitte gezählt, das „erschreckt“ den laut Psychiater „traumverlorenen“ Angeklagten Tobias W. Der 22-Jährige kann sich nur an drei bis vier Stiche erinnern, und auch nicht daran, dass er die 18-Jährige in den Rücken gestochen hat.

"Scheiß Angst"

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Kurz zuvor in dieser Nacht auf den 31. August 2011 hatte Claudia einer befreundeten Kellnerin noch eine Handy-Nachricht geschickt: Sie habe eine „Scheiß Angst“. Die Freundin schrieb zurück: „Setz’ dich ins Taxi und komm zu mir“, aber Claudia kam nicht.

Ebenfalls in dieser Nacht hatte Tobias W. dieser Kellnerin sein Leid geklagt, dass ihn Claudia verlassen wolle und er nicht ohne sie leben könne. Aber antun könnte er Claudia nie etwas, sagte er noch ...

Anfangs sei er „auf Wolken geschwebt“, erzählt der Jus-Student dem Gericht: Alles war „wunderbar“. Und Claudia, die Opernball-Debütantin, „war so liebenswert“. Aber auch dominant, lebenslustig, „sie hat immer Action gebraucht“. Er, angeblich schüchtern und konfliktscheu, habe sich abhängig von ihr gemacht und geklammert. Daraufhin wurde sie abweisend, „da ist die Farbe aus meinem Leben gewichen“.

„Irre“

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Als sie sich etwas mit einem anderen anfing, unternahm W. einen „Selbstmordversuch“ mit dem Auto und teilte Claudia mit, dass alles keinen Sinn mehr für ihn habe. Außer ein paar Kratzern passierte ihm nichts. Ein Richter bewertet das so, dass W. „in dieser Beziehung alle Register gezogen hat. Wenn ich gegen eine Baum fahren will,  treff’ ich den auch.“ Claudia reagierte damals mit den Worten: „Du bist ja irre.“

Kurz vor der Tat in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Margareten habe sie ihn beschimpft, er sei „ein schiacher Mann“ bzw. gar kein Mann. Das habe ihn gedemütigt: „Ich habe anscheinend eine Wut gekriegt, ich habe das als Angriff auf mich gesehen.“

Warum er das im Prozess zum ersten Mal erzählt? Er habe Claudia nicht schlecht machen wollen, aber jetzt gehe es für ihn um zu viel.

Er begreife bis heute nicht, warum er zugestochen habe, setzt Tobias W. auf ein Blackout. Seine nächste klare Erinnerung sei: „Alles voll Blut. Ich war erschüttert, was ich soeben getan hatte.“

Danach ging er duschen und sich umziehen, verschickte Nachrichten, verständigte die Polizei. „Strukturiertes Denken also“, attestiert die Vorsitzende. „Ist das strukturiert?“, fragt der Angeklagte.

Eine Geschworene will wissen, ob jemand „normal“ sein könne, der so etwas tut. Der psychiatrische Sachverständige bejaht. Urteil: 20 Jahre Haft, Berufung.