Chronik/Welt

Erstmals Felszeichnungen von Neandertalern entdeckt

Höhlenkunst wurde bisher nur dem modernen Menschen (Homo sapiens) eindeutig zugeschrieben. Offenbar ein Irrtum: Erstmals entdeckten Forscher Felszeichnungen von Neandertalern. Das internationale Team stieß in einer Höhle in Gibraltar auf kreuzförmige Einkerbungen. Die Wissenschaftler berichten in den Proceedings der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) über ihre Entdeckung.

Das Team um Ruth Blasco und Clive Finlayson vom Gibraltar-Museum in Gibraltar schließt aus, dass die Einkerbungen versehentlich entstanden. Die Gravuren wurden in der Gorham-Höhle entdeckt, die seit Langem als einstige Behausung von Neandertalern bekannt ist.

Die unterste Deckschicht über der Gravur datierten die Forscher mit geochemischen Analysen auf ein Alter von 39.000 Jahren. Die Symbole selbst müssen also älter sein. Zu der Zeit war der moderne Mensch noch nicht in dieser Gegend angekommen.

Versuche

Die Forscher führten eigene Versuche mit Kalkstein durch, wie er am Boden der Höhle zu finden ist. So zerschnitten sie darauf mit spitzen Steinen die Haut eines Schweins. Doch diese Rillen unterschieden sich deutlich von den Felsgravuren. Diese stellen somit keine Gebrauchsspuren dar, sondern dekorative Muster.

Um die tiefsten Rillen zu erzeugen, brauchten die Forscher mindestens 54 Schläge. Für die acht größeren und fünf kleineren Rillen kalkulieren sie insgesamt zwischen 188 und 317 Schläge. "Wir folgern, dass diese Gravuren ein absichtliches Muster darstellen, erdacht, um von seinem Neandertaler-Schöpfer gesehen zu werden und – unter Berücksichtigung seiner Größe und Lage – auch von den anderen in der Höhle", schreibt das Team.

Was die Bedeutung der sich überschneidenden Linien angeht, sind sich die Forscher weniger sicher. Clive Finlayson: "Diese Abbildung sagt mir, dass die Neandertaler geistige Fähigkeiten hatten, die den unseren glichen. Wir wissen natürlich nicht, wie die Neandertaler die Welt saen. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass sie symbolisch-abstrakt zu denken vermochten und uns keineswegs geistig unterlegen waren."