Chronik/Welt

Die Angst vor dem Aufstand der Armen

Dass führende Wirtschaftsexperten sich für die Armen starkmachen, ist eine Seltenheit. So geschehen bei der Präsentation des Welt-Risiko-Berichts des Weltwirtschaftsforums, die jetzt in London über die Bühne gegangen ist: Dort wurden nämlich die größten zu erwartenden Probleme der Welt aufgelistet – ganz vorne auf dieser Liste: die ungerechte Verteilung der Mittel.

Der Zorn wird größer

Sogar die erste Anwältin der Weltwirtschaft, IWF-Chefin Christine Lagarde, ließ sich dazu hinreißen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu bekritteln. Einkommenszunahmen würden seit dem Ausbruch der Krise besonders häufig auf das Konto der Wohlhabenden gehen, meinte sie – etwas, was die Demonstranten in Athen oder Madrid seit geraumer Zeit auf ihren Transparenten stehen haben.

Dabei geht es aber erstmals nicht um die unterschiedliche Wirtschaftskraft der verschiedenen Staaten. Die Spannungen innerhalb der einzelnen Länder und im globalen Konnex sind es, die für die Elite der Weltökonomie (700 Manager und Wirtschaftswissenschaftler hat das Weltwirtschaftsforum für diese Erkenntnis befragt) die größte Gefahr darstellen: Die Kluft zwischen Arm und Reich werde immer größer, die Reichen immer reicher – und der Zorn der Armen immer größer.

Die größten Gefahren für die Welt

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Demos und Geiselnahmen als Vorboten

Entzündet haben sich solche Spannungen ja bereits vielerorts. In der sonst so stabilen Eurozone wurde mit Brandsätzen geworfen, weil den Menschen das Geld ausging; Griechenland, Spanien und Portugal sind beste Beispiele dafür, was den Wirtschaftsexperten Sorge bereitet. Aber auch Auswüchse wie die Geiselnahmen französischer Manager, durch die man bessere Arbeitsbedingungen erpressen wollte, zählen dazu.

„Wenn die Lenker der Welt die erkennbaren Risiken nicht konsequent angehen, werden diese sich weiter verstärken und zu Konsequenzen führen, die wir kaum noch kontrollieren können“, warnte etwa die an der Studie beteiligte Weltwirtschaftsforums-Direktorin Margareta Drzeniek. Sie nahm dabei aber ungewohnterweise nicht nur die Politik in die Pflicht: Die Privatwirtschaft habe ebenso eine sehr große Verantwortung zu tragen, wozu sie „allerdings auch bereit sei“, so ihre Prognose.

Jugendarbeitslosigkeit als Grundübel

Dass dies besonders nötig sein wird, zeigt sich auch an einem anderen Bedrohungsszenario in der Liste: Auf Platz drei – nach Naturkatastrophen – rangiert die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenländern. Experten sprechen bereits von einer „verlorenen Generation“, die jetzt heranwächst: Entweder sie hat kein Geld, um zu studieren – oder sie ist bestens ausgebildet und findet keinen Job, so David Cole, Risikochef der Swiss Re und ebenso beteiligt an dem Bericht.

„Jugendarbeitslosigkeit in einem solchen Ausmaß ist nicht allein eine Vergeudung menschlichen Kapitals, sondern droht auch den gesamten wirtschaftlichen Fortschritt zu bremsen", heißt es in der Studie. Und dass auch von der Menschenmasse eine Gefahr ausgeht, ist deutlich sichtbar: In bestimmten Industriestaaten sind mittlerweile mehr als die Hälfte der jungen Menschen auf Arbeitssuche – und seit Stéphane Hessel ihnen „Empört Euch“ zugerufen hat, gehen sie auch auf die Straße.

Den Bericht als Vollversion kann man hier nachlesen.