Warum der Täter von Toronto noch lebt
"Töte mich", schrie der Amokläufer.
- "Hinlegen!", rief der Polizist.
"Ich habe eine Waffe!"
- "Ist mir egal. Hinlegen!"
"Schieß mir in den Kopf"
- "Nein, leg dich hin!"
Nach diesem Schlagabtausch überwältigte und verhaftete der Polizist den Mann, der am Montag gerade in Toronto mit einem Kleinlaster in eine Menschenmenge gerast war, zehn Menschen getötet und 15 verletzt hatte. Er muss sich lebend für seine Tat verantworten. Über sein Motiv ist immer noch nichts bekannt, auf einen terroristischen Hintergrund deutet jedoch bisher nichts hin.
Es war ein erstaunliches Stück Polizeiarbeit, das dem Beamten in Kanada da gelungen war. Insbesondere wenn man neben der Berücksichtigung der enormen Stresssituation an die vielen Fälle aus den USA denkt, bei denen in den letzten Monaten und Jahren sogar unbescholtene Unbewaffnete im Kugelhagel der Polizei starben.
Am Video ist nicht genau zu erkennen, was der aus dem Auto gestiegene Amokfahrer in seinen Händen hielt. Mehrmals mimte er mit seinen Händen die Bewegung, als würde er eine Pistole aus einem Halfter ziehen. Doch der Polizist blieb dabei ruhig.
Ein Professor des Instituts für Strafrechts-Verwaltung des Columbia College in Missouri namens Michael Lyman erzählte der BBC just: "Falls es eine Waffe war, ist es besorgniserregend, dass der Polizist nicht geschossen hat". Womöglich hätte der Polizist Angst vor der öffentlichen Reaktion gehabt. Laut Lyman wäre sogar die "Pflicht" des Beamten gewesen, zu schießen. Möglicherweise habe der Polizist das Objekt in den Händen des Täters nicht für eine Waffe gehalten oder sei einfach davon überzeugt gewesen, dass dieser es eigentlich auf einen "Selbstmord durch Polizisten" angelegt hatte, mutmaßten unterdessen andere Experten.
Von Mark Saunders, dem Polizeichef der Stadt, wurde die Tat des Polizisten unterdessen gelobt. Der Polizeibeamte habe die Situation verstanden und eine "friedliche Lösung" herbeigeführt. Saunders führte das auf die Schulung seiner Polizisten zurück, die stets dazu angehalten seien und dafür ausgebildet würden, so wenig Gewalt wie nur irgendwie möglich zu nutzen. "Jeden Tag deeskalieren Polizisten hunderte potentiell gefährliche Situationen.", schrieb ein Polizist aus Toronto auf Twitter: "Die Welt wurde gerade Zeuge eines Paradebeispiels".
Polizeipräsident Mike McCormack lobte seinen namentlich nicht bekannten Mitarbeiter ebenfalls. Der Polizist habe im Gespräch aber sofort an die Opfer gedacht und gesagt: "Mike, ich habe nur meinen Job gemacht. Das war keine große Sache. Aber schau dir nur all die armen Menschen an."