Chronik/Welt

Venedig steht unter Wasser

Sie staunen, lachen und fotografieren einander, während sie in hohen Gummistiefeln oder barfuß durch die Gassen von Venedig waten oder mitten in den Fluten in einem Café sitzen: Zumindest die Touristen haben ihren Spaß am „Acqua Alta“. Die Einheimischen sind weniger begeistert. 70 Prozent der Stadt stehen mittlerweile unter Wasser, Geschäfte und Lokale sind überflutet, die Schäden sind enorm. Das Hochwasser erreichte gestern, Sonntag, eine Höhe von 150 Zentimetern und drohte noch weiter zu steigen. Flut-Alarm gilt bereits ab 110 Zentimetern. Für Bewohner und Touristen heißt das rund um den niedrig gelegenen Markusplatz: Gummistiefel anziehen. Der außergewöhnliche Pegelstand von 150 Zentimetern bedeutet, dass weite Teile der Lagunenstadt unter Wasser stehen. Ein Mittelmeer-Tief hat in der Region zu schweren Niederschlägen geführt, die das Hochwasser stark steigen ließen. Kräftiger Wind sorgt dafür, dass sich die Fluten in der Lagune halten – und es regnet weiter. Generell ist eine Kombination von Regen, Wind und Gezeiten Ursache für das Hochwasser, das Venedig häufig im Herbst und Winter heimsucht.

Flutbarrieren geplant

Venedig liegt nur knapp einen Meter über dem Meeresspiegel und sinkt laut Forschern immer schneller. Das umstrittene Flutbarrieren-System „Mose“ soll die Stadt in Zukunft vor Überschwemmungen bewahren. Doch viele Experten meinen, dass „Mose“ mit seinen 78 riesigen Deich-Modulen nicht genügen wird, um die Stadt zu retten: Aufgrund des Klimawandels werde es noch häufiger Hochwasser geben, und die Stadt wäre mit geschlossenen Fluttoren dann fast immer vom Frischwasser abgeschnitten. Dadurch könnte sich Venedig schnell in eine Kloake verwandeln, so die Befürchtungen. Zuletzt war das Hochwasser in Venedig im Dezember 2008 über die 1,50-Meter-Marke gestiegen. Nicht nur in Venedig herrscht zurzeit Flut-Alarm: In mehreren norditalienischen Regionen führten starker Regen und Hochwasser zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Besonders betroffen war die Toskana. In Pisa waren Teile der Stadt überflutet, zahlreiche Haushalte waren ohne Strom. In der Provinz Massa Carrara sorgten die Wassermassen für eineinhalb Meter hohe Überschwemmungen, Hunderte Menschen flohen. Evakuierungen gab es auch in Ligurien. Im Raum der Hafenstadt La Spezia mussten mehr als hundert Menschen ihre Wohnungen verlassen, nachdem der Fluss Magra über die Ufer getreten war. Zahlreiche weitere Flüsse stiegen bedrohlich an, darunter der Bacchiglione in Vicenza. Der Zivilschutz warnte die Bevölkerung vor weiteren Niederschlägen und rief die Menschen dazu auf, aufs Auto zu verzichten.