Chronik/Welt

"Ich glaube an diese große Nation"

Für die spanische Monarchie bricht eine neue Ära an: Felipe VI. will als "Bürgerkönig" das angeschlagene Image des Königshauses wieder aufpolieren. "Die Krone muss die Nähe zu den Bürgern suchen, sie muss es verstehen, sich ständig ihre Wertschätzung, ihren Respekt und ihr Vertrauen zu verdienen", erklärte der 46-Jährige gestern, Donnerstag, bei seiner Antrittsrede im Parlament in Madrid. Das Königshaus müsse wieder zu einer "moralischen Autorität" werden, erklärte Europas jüngster König anlässlich seiner Amtseinführung.

Felipe trat die Nachfolge seines Vaters Juan Carlos an, der am Vortag nach fast vier Jahrzehnten abgedankt hatte. Anders als beim Amtsantritt seines Vaters im Jahr 1975 legte der neue König den Eid auf die demokratische Verfassung ab. Die Eidesformel enthielt keine religiösen Formulierungen. "Ich glaube an diese große Nation, ich liebe sie, sie liegt mir am Herzen", betonte Felipe. Und: "In diesem Spanien haben wir alle Platz."

Felipe schwor, die in der Verfassung festgelegten Aufgaben zu erfüllen und die Rechte der Bürger zu respektieren. Vor dem König lagen die Krone und das Zepter als Symbole der Monarchie auf einem roten Samtpolster. Die etwa ein Kilogramm schwere Krone aus dem 18. Jahrhundert wurde dem Monarchen aber nicht aufs Haupt gesetzt – dies ist im spanischen Königshaus nicht üblich.

Lächelnde Letizia

Die neue Königin Letizia sowie die beiden Töchter Leonor, 8, und Sofia, 7, waren bei der Zeremonie dabei. Leonor ist nun Kronprinzessin – die jüngste Europas. Letizia, die ein helles, kurz geschnittenes Mantelkleid trug, lächelte Felipe vor dessen Rede immer wieder zu. Sie überließ ihrem Mann bewusst das Rampenlicht, und die als kühl und distanziert geltende 41-Jährige lächelte sogar immer wieder. Mehrmals umarmte und küsste sie ihre kleinen Töchter. Laut spanischen Medien absolvierte Letizia die ersten Schritte als Königin mit Bravour; sie konnte mit ihrem Auftreten nun wohl weitere Pluspunkte bei den Bürgern sammeln.

Royaler Kuss

Nach der Zeremonie fuhr das Königspaar in einer offenen Limousine zum Palast und winkte den Tausenden Schaulustigen zu, die bei strahlendem Sonnenschein die Straßen säumten. Vom Balkon des Palastes winkten das Monarchenpaar und seine Töchter dann einer großen Menschenmenge zu. Jubel brandete auf, als Felipe seine Frau umarmte und küsste.

Auch Juan Carlos zeigte sich winkend und lächelnd auf dem Balkon, ebenso seine Frau Sofia. Bei der Amtseinführung Felipes im Parlament war Juan Carlos nicht dabei, weil er seinem Sohn nicht die Show stehlen wollte. Es waren auch keine Staatsgäste und Vertreter anderer Königshäuser anwesend – im Plenarsaal ist dafür nicht genug Platz. Und angesichts der Wirtschaftskrise hatte sich Spanien für einem Thronwechsel mit möglichst wenig Pomp entschieden.

Militärakt

In der Früh hatte Felipe von seinem Vater im Zarzuela-Palast die Schärpe des Oberbefehlshabers der Streitkräfte erhalten. An dem militärischen Akt nahmen auch Letizia, Juan Carlos’ Frau Sofia und die beiden Kinder des Königspaares teil.

Während der Amtseinführung demonstrierten kleinere Gruppen von Anti-Royalisten gegen die Monarchie. Sie hatten zu einer Kundgebung auf dem Platz Puerta del Sol im Herzen von Madrid aufgerufen. Da der Platz jedoch von Sicherheitskräften abgeriegelt worden war, zogen die Demonstranten in kleinen Gruppen mit Fahnen der früheren spanischen Republik durch die umliegenden Straßen. Mehrere Personen wurden festgenommen, wie es bei der Polizei hieß – für die Zeit der Amtseinführung von Felipe waren Protestkundgebungen im Madrider Stadtzentrum verboten worden.

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Eine geschiedene Bürgerliche ist die neue Königin vonSpanien. Die Fernsehjournalistin Letizia Ortiz, Tochter einer Krankenschwester, Enkelin eines Taxifahrers, eine ehrgeizige, gebildete und eigenwillige Aufsteigerin aus der Mittelschicht, soll das Ansehen der Monarchie wieder herstellen. Felipes größter Trumpf ist seine Frau, sagen viele Spanier.

Nicht, weil sie so beliebt wäre – Felipe und seine Mutter Sofia werden mehr bewundert – sondern weil sie bodenständig geblieben ist. Weil sie Sorgen hat, wie andere Menschen auch. Ihre Schwester hat sich umgebracht, ihre Eltern sind zerstritten wie die Schwiegereltern, ihr Cousin versuchte aus einem peinlichen Enthüllungsbuch Kapital zu schlagen.

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Auch nach zehn Ehejahren wirken Letizia und Felipe VI. verliebt. Sie absolvieren ein dichtes Programm, arbeiten also wirklich viel und agieren professionell und engagiert. Letizia hat nebenbei Englisch gelernt und "kann bei Begegnungen und Konferenzen intelligent zur Sache reden", lobt sie der Spanien-Korrespondent der FAZ.

Der 46-jährige Felipe wird oft "El Preparado" genannt. Der gut Vorbereitete. Er hat in Madrid und in den USA studiert, war beim Militär und ist im Gegensatz zu seinem Vater Juan Carlos kein Lebemann. Letizia scheint ihn ideal zu ergänzen, denn während Juan Carlos nie mit einem Buch gesehen wurde oder freiwillig ein Museum besucht hätte, so der spanische Schriftsteller Andrés Trapiello, ist der Sohn belesen und bestens informiert über die Probleme in seinem Land.

Ihre dynastischen Pflichten hat die bald 42-jährige Letizia erfüllt. Die achtjährige Leonor ist jetzt die jüngste Kronprinzessin Europas. Ihre Schwester, die Infantin Sofia ist sieben Jahre alt.

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Das Leben bei Hof fiel der Journalistin am Anfang nicht leicht und wurde ihr auch nicht leicht gemacht, sagte ein Palastangestellter der Zeitung El Mundo. Letizia mangle es aber nicht an Widerstandskraft und Charakter, fügte er bewundernd hinzu und nennt als Beispiel die Kleidung der Kinder. Die spanische Etikette verlangt, dass die beiden Töchter gleich gekleidet sind. Letizia aber will, dass ihre Kinder eine eigene Persönlichkeit entwickeln und sich verschieden anziehen dürfen.

Auch in der Krise, die Spanien seit sechs Jahren in seinen Grundfesten erschüttert, weil das Vertrauen in Regierung und Königshaus wegen ständiger Enthüllungen über Korruptionsskandale verschwunden ist, fanden Felipe und Letizia die richtigen Worte. Die Journalistin weiß genau, was ankommt und was nicht. Felipe sagte im Krisenjahr 2012: "Die gegenwärtige Wirtschaftskrise verlangt, ernsthaft darüber nachzudenken, wie Werte wieder zur Geltung gebracht werden können, die in jüngster Zeit verloren gegangen sind." Als Beispiele nannte er Großzügigkeit, Integrität, Fleiß und Höchstleistung.

Der Kontakt zu Felipes Schwester, der Infantin Cristina, wurde aus diesem Grund von Letizia auf Eis gelegt. Cristina hat "aus Liebe" zu ihrem Mann Iñaki Urdangarin alles unterschrieben und geriet selbst unter Korruptionsverdacht. Dem ehemaligen Handballer Urdangarin droht wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder eine Haftstrafe.

Letizia verzeiht auch nicht, dass die Elefantenjagd des alten Königs den Ruf der Bourbonen arg geschädigt hat.

Ein Sprecher des Hofes gab unlängst zu, dass es in der Partnerschaft von Felipe und Letizia schon manchmal kracht oder, feiner formuliert, "Höhen und Tiefen" geben kann, wenn es wieder Ärger mit der Verwandtschaft gibt. Nur eine ist unantastbar: Felipes Mutter, Königin Sofia – sie hat Letizia offenbar schon längst ins Herz geschlossen.

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