Cyber-Angriff als nächstes 9/11
Von Andreas Schwarz
Wie aus heiterem Himmel beginnen die Computer zu spinnen, in einigen Ministerien zunächst, dann bei Versorgungseinrichtungen, am Flughafen und in Spitälern. Scheinbar nichts geht mehr, und schnell wird klar: Es handelt sich um einen Cyberangriff, durchgeführt von einer Terrororganisation, die mit weiteren Zerstörungen im Netz und dem Zusammenbruch das öffentlichen Lebens droht. Die Medien sind alarmiert, in den sozialen Netzwerken überschlagen sich Berichte und Wahrnehmungen darüber, was nicht mehr geht. Alles steuert auf einen totalen Blackout zu.
Es ist ein Szenario, das man sich nicht ausmalen mag, aber in Zeiten wie diesen ausmalen muss: Datendiebstahl, Erpressung, Desinformationskampagne, abgeschnittene Kommunikationswege, Opfer an Menschenleben – wie umgehen mit so einer Situation?
In Österreich wird das seit gestern geprobt. Und zwar im Rahmen einer Cyber-Übung, die von der European Cyber Security Initiative (ECSI) in Estland am Cyber-Defence Center der Nato ausgearbeitet wurde. Peter Gridling, Leiter des Verfassungsschutzes im Innenministerium, Brigadier Helmut Habermayer, Cyberkoordinatoer des Verteidigungsministeriums, Abwehrspezialisten auch des Kanzleramtes, Experten aus Justiz- und Außenministerium, Vertreter der Technikstäbe von Unternehmen wie A1/Telekom, Krankenanstaltenverbund oder Staatsdruckerei üben drei Tage lang, welche Notfallpläne im Falle eines Angriffs wie greifen. Denn Notfallpläne gibt es angesichts der Netz-Kriminalität und unlauterer (halb)staatlicher Cyberaktivitäten natürlich. Nur nicht immer koordiniert zwischen den verschiedenen Abwehreinheiten.
Auch Staaten greifen an
Die Bedrohung ist vielfältig. Sie reicht von Kleinkriminalität im großen Rahmen (Installierung von Malware auf privaten oder öffentlichen Computern samt Erpressung bis hin zum Datenklau auf Seitensprungportalen) bis zu nie ganz aufgeklärten Angriffen auf einen Staat. Estland war eines der ersten Länder, das so etwas 2007 erlebte – eine Computerattacke legte Banken, Behörden, Polizei und Regierung für mehrere Tage lahm, Russland wurde dahinter vermutet. China wird hinter Attacken auf die USA vermutet, die USA wiederum störten mit Cyberangriffen das iranische Atomprogramm.
Und als größte Gefahr gilt inzwischen zu großes Cyber-Know-how in den Köpfen von Terroristen. Das nächste 9/11, so sind Experten überzeugt, wird kein Flugzeug im Hochhaus, sondern eine Cyberattacke sein.
Die Übung in Wien ist die dritte Erprobung für das estnische Reality-"Spiel": Portugal und Tschechien haben es heuer bereits durchgespielt, nun testet Österreich seine Abwehrkapazität und das Übungsprogramm. Danach soll es mit den Erfahrungen der Tests überarbeitet und den EU-Staaten als standardisiertes Werkzeug zur Verfügung gestellt werden.