Piratenangriffe nehmen wieder zu
Von Susanne Bobek
Im Oktober wurde ein deutsches Handelsschiff vor der nigerianischen Küste überfallen. Die Piraten hatten es diesmal nicht auf die Fracht abgesehen, sondern entführten acht Seeleute, darunter den Kapitän. Das Containerschiff war aus der Hauptstadt von Äquatorialguinea, Malabo, zu Liberias Hauptstadt Monrovia unterwegs gewesen. Die Seeleute aus der Ukraine, Ungarn und den Philippinen kamen bald wieder frei. Wie viel Lösegeld bezahlt werden musste, wurde nicht bekannt.
65 Piratenangriffe wurden weltweit seit Jänner 2018 gezählt, um die Hälfte mehr als im Vorjahr. 53 Schiffe befanden sich vor der Westküste Afrikas, als sie attackiert wurden. Das teilte das Schifffahrtsbüro der internationalen Handelskammer (ICC) am Dienstag mit. Nachdem die Piraterie vor Somalia erfolgreich bekämpft werden konnte, verlagert sich das Problem in die Gewässer vor Nigeria. 39 Schiffe wurden dort geentert, zehn beschossen und vier Frachter entführt. Zwölf Angriffe konnten abgewehrt werden. Die Piraten verkaufen die Fracht oft weiter, erpressen Lösegeld für Schiff und Besatzung oder fahren gleich unter neuer Flagge weiter. Obwohl die Behörden in Nigeria, Benin und Togo mehr Patrouillenboote vor der Küste einsetzen, sind die Seeräuber ihnen meistens einen Schritt voraus. Sie haben buchstäblich nichts zu verlieren.
Lösegeld
Der Höhepunkt der Piraterie am Horn von Afrika war 2011. Damals wurden 250 Schiffe angegriffen, laut einer Weltbankstudie zahlten internationale Reedereien alleine in diesen zwölf Monaten über 150 Millionen Dollar Lösegeld.
Dann wurde die militärische Präsenz vor der somalischen Küste massiv erhöht. Die NATO, die EU sowie Länder wie Indien, China, Japan und Iran schickten Schiffe, 2015 wurde kein einziges Frachtschiff mehr angegriffen – und die Sicherheitsbestimmungen gelockert. Deshalb warnt die UNO, dass die Piraterie auch dort wieder zunehmen könnte. Im Vorjahr wurde erstmals wieder ein Öltanker gekapert. „Die ersten Erfolge der Piraten nach einer langen Durststrecke könnten dazu führen, dass weitere Gruppen in die Piraterie zurückkehren“, fürchtet die US-Politologin Brittany Gilmer in der NZZ. Denn in Somalia herrscht weiter bittere Armut.