Chronik/Welt

Piratenangriffe jetzt in Westafrika

Die Piraten in Westafrika sind hervorragend organisiert und extrem brutal. Viele sind ehemalige Mitglieder der Miliz „Movement for the Emancipation of the Niger Delta“ (Mend), die mit Öldiebstählen und Anschlägen auf die Ölplattformen Nigerias einen Milliardenschaden verursacht hat. Sie gehen in der Regel mit größerer Brutalität vor als ihre somalischen Kollegen.

Alle Inhalte anzeigen
Laut dem Bericht des International Maritime Bureau (IMB) ist die Region mittlerweile gefährlicher als das Horn von Afrika. Im Vorjahr wurden im Golf von Guinea fast 1000 Seeleute Opfer von Attacken, vor Somalia waren es 850. In Westafrika haben es die nicht nur militärisch, sondern auch logistisch gut ausgebildeten Piraten auf Öl, Rohstoffe, Lebensmittel und alles abgesehen, das sie sogleich auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Dem Bericht zufolge können Geldbewegungen in Nigeria viel schneller organisiert werden als anderswo. „Es bedürfe einer Kooperation von Bemühungen an Land und auf dem Wasser, um Seefahrtsicherheit zu schaffen“, heißt es in dem IMB-Bericht. Dazu gehöre es auch, legale Arbeitsmöglichkeiten für die Piraten zu schaffen. Ein Amnestieprogramm für Mend-Mitglieder hatte 2009 aber nur mäßigen Erfolg. „Die nigerianische Regierung sei der Herausforderung in keiner Weise gewachsen“, sagt der Präsident der Trawler-Besitzer, John Ovalo. Statt 250 Fischdampfer seien nur noch 122 im Einsatz. „Wir haben so viele Menschen verloren.“

Während die Zahl der Überfälle auf Frachtschiffe in Somalia zurückgeht, weil am Horn von Afrika Kriegsschiffe im Einsatz sind und die meisten Öltanker, Container- und Gasschiffe bewaffnete Wachen an Bord haben, ist man auf den Routen in Westafrika noch nicht so gut vorbereitet.

Anders als in Somalia lassen die Piraten die Schiffe, nachdem sie die Fracht in einem Hafen gelöscht haben, weiterfahren. Während Geiseln in Somalia durchschnittlich elf Monate in Gefangenschaft bleiben, kommen sie im Golf von Guinea meistens schon nach vier Tagen wieder frei. Allerdings gab es im Vorjahr auch fünf Todesopfer, 2009 starb ein Offizier des deutschen Tankers „Cancale Star“ bei einem Überfall. Und im April wurden vier Seeleute einer Hamburger Reederei vor der Küste von Äquatorialguinea entführt. Das Schiff durfte weiterfahren, mit der Beute und ihren Geiseln entkamen die Piraten der Küstenwache. Die vier Entführungsopfer kamen Ende Mai wieder frei. Wie hoch das Lösegeld war, wurde nicht bekannt gegeben. Die Attacken des vergangenen Jahres haben die Industrie beinahe eine Milliarde Dollar gekostet.