Kranke Frau allein zu Hause
Von Susanne Bobek
"Sogar aus Japan haben sie angerufen", sagt Alan Feeley. Den Medienrummel um sein Fish-and-Chips-Geschäft in Belfast versteht er nicht ganz. Er hatte doch nur einen Bestellauftrag auf seine Facebook-Seite gestellt.
Da hatte eine junge Frau in der Spalte für Anmerkungen in einem Online-Portal, das die Bestellung an Feeley weiterleitete, geschrieben: "Können Sie bitte bei Spar vorbeifahren und mir Benylin Erkältungs- und Grippetabletten mitbringen. Ich bestelle nur etwas zu essen, damit ich die Tabletten bekomme. Ich bin todsterbenskrank."
Ein Mitarbeiter ist losgefahren und hat ihr die Medikamente gebracht", sagt Feeley. Dass diese, eigentlich doch recht banale Geschichte um die Welt geht, sagt auch etwas über die Welt. Wie alleine gelassen muss sich eine Frau fühlen, wenn sie online um Hilfe bittet?
Oder anders gefragt: Wie grob sind die Menschen, dass sie eine Hilfsleistung bereits für so großartig halten?
Japaner sind gerührt
Offenbar rührt die Geschichte ganz besonders die Japaner, die sich oft zu Tode arbeiten ("Karoshi") oder der Welt den Rücken kehren. "Hikikomori" heißen diese Menschen, die nur noch durchs Internet Kontakt nach außen haben. Die Regierung in Tokio hat dazu neue Zahlen präsentiert: 541.000 Menschen im Alter von 15 bis 39 Jahren ziehen sich oft über mehr als sieben Jahre aus der Gesellschaft zurück und schließen sich zu Hause ein. Sie leben von der Rente ihrer alten Eltern. Nur wenige schaffen es offenbar, nach Jahren der Isolation wieder ein normales Leben zu führen.
Deshalb gibt es auch immer mehr Hilfsprogramme für Hikikomori und deren Familien. Andererseits wurden Arbeitgeber von der Regierung dazu verpflichtet, darauf zu schauen, dass ihre Angestellten mindestens fünf Urlaubstage im Jahr auch wirklich konsumieren. Der Tod durch Überarbeitung ist ein Riesenthema. Meist sterben die Opfer infolge chronischer Erschöpfung, an Hirn- und Herzschlag.
Im fernen Belfast hat Alan Feeley seiner Kundin eine Gratismahlzeit versprochen. Nach der Genesung.