New York: "Männer, schließt die Beine!"
Von Caecilia Smekal
Welcher Großstadtmensch hat sich in U-Bahn oder Bus noch nicht über schlechtes Benehmen geärgert? Üble Gerüche, Platzmangel, Ess- oder Telefoniergewohnheiten stellen gerade zu verkehrsstarken Uhrzeiten die Öffi-Benutzer auf eine Nervenprobe. Wie muss es da erst in einer Metropole wie New York sein, deren Einwohnerzahl jener von ganz Österreich nahe kommt... Und immer mehr New Yorker strömen ins U-Bahn-System, am Spitzentag 2014 waren es 6,1 Millionen Menschen an nur einem Tag.
Um solch einen Ansturm unbeschadet zu überstehen braucht es ein Mindestmaß an Manieren, wie auch die New Yorks MTA (Metropolitan Transportation Authority) meint. Der Öffi-Betreiber hat nun eine Kampagne gestartet, durch die vor allem Männer aufgefordert werden sollen, besser Acht zu geben. Das Signalwort dazu lautet "Manspreading" - gemeint ist das allzu übertriebene Spreizen der Beine beim Sitzen in der U-Bahn ("spread" = ausbreiten), das oft zwei oder gar drei Sitze in Anspruch nimmt. Manchmal gar in Kombination mit großen Taschen, die auf Sitze gestellt werden.
Rollentausch
Die männlichkeitsritualisierte Sitzart mancher Passagiere nimmt einerseits zuviel Platz für andere Benutzer weg, andererseits fühlen sich vor allem Frauen dadurch gestört. In den sozialen Netzwerken fragen sie: Was wäre, wenn sich eine Frau in der Öffentlichkeit so benehmen würde?".
Sie bekommen nun von der MTA offizielle Unterstützung: Die Kampagne, über die zuerst die New York Times berichtete, beinhaltet eine Serie von Plakaten, um die Männer dazu anzuhalten, "weniger von sich selbst preiszugeben". Einer der Slogans lautet etwa: "Mann, dehn' dich nicht so aus. Es ist eine Frage des Platzes".
Dem kann die Schauspielerin Kelley Rae O'Donnell nur beipflichten: Sie hat es schon lange gestört, wie breitbeinig Männer Öffis in Beschlag nehmen, und postet regelmäßig anklagende Fotos auf Twitter dazu. O'Donnell ist quasi die Vorreiterin der Spreading-Krise. Sie berichtet oft von negativen Erfahrungen, vor allem dann, wenn sie die Männer bittet, nicht so viel Platz in Anspruch zu nehmen. Dann, schreibt sie, werden diese oft aggressiv.
Daraus ist inzwischen ein regelrechter Hype geworden, unter dem Hashtag #manspreading trudeln nun im Minutentakt neue Bilder herein, die Spreader entlarven.
Dieses Erste-Welt-Problem ist virulent geworden. Auch eigene Fotoblogs wie "Men Taking Up Too Much Space On The Train" wurden eingerichtet, um passende Bilder zu sammeln. Manche Großstadt-Journalistinnen sind bereits auf Erkundungstour gegangen und machten das männliche Verhalten nach, um die Reaktionen auszutesten; so wie Gabrielle Moss, die für Bustle.com ihre Erfahrungen niederschrieb. "Übt der Bein-Spreizer sein männliches Privileg aus oder, wie manche Verteidiger wohl meinen, beugt er sich nur den einzigartigen Platzanforderungen seiner Eier?", fragt sie.
Das Thema ist inzwischen so groß geworden, dass sich freilich auch Gegner der öffentlichen Beschämung der Manspreader formieren. Einige beklagen die Übermacht der Feministinnen, andere fragen, ob es nichts Wichtigeres gebe. Auch die Cartoonisten machten sich darüber her.
Jene, die wirklich glauben, dass Männer beim Sitzen aus gesundheitlichen Gründen ihre Beine auseinanderhalten, beruhigt die New York Times vorsorglich: Eine halbstündige Fahrt mit übereinander geschlagenen Beinen ist auch für Herren nicht gefährlich.