Chronik/Welt

Nach der Flut auf der Flucht

Regen, Muren, Zerstörung: Die Lage in Serbien hat sich bisher kaum entspannt. Die Zahl der Opfer nach den schweren Überschwemmungen ist allein in Serbien auf 20 angestiegen, insgesamt gibt es mehr als 40 Opfer. Am schwersten betroffen war die Kleinstadt Obrenovac, südwestlich von Belgrad. Dort wurden bis Dienstag früh 13 Todesopfer gezählt. Knapp 39.000 Menschen mussten im ganzen Land evakuiert werden.

In der Nacht auf Dienstag wurden in Obrenovac die verbliebenen Bewohner evakuiert, nachdem Schutzdämme der Save brachen. Zuvor war das Wasser bereits zurückgegangen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden in den letzten Tagen knapp 39.000 Menschen aus ihren überschwemmten Häusern evakuiert, ein Drittel davon in Obrenovac. Besonders gefährlich war die Situation in Krupanj, dort gab es durch Erdrutsche, die von den Überschwemmungen ausgelöst wurden, fünf Tote. In der Ortschaft mit rund 5.000 Einwohnern wurden etliche Häuser vollkommen zerstört, als drei im Normalfall kleine Bäche über die Ufer traten. In Serbien befürchtet man eine weitere Flut, wenn die Flutwelle der Save die Donau erreicht.

In Serbien stieg der Wasserstand der Donau zuletzt, am Donnerstag soll der Pegel die Grenze des Überschwemmungsschutzes übersteigen. Das Donau-Kraftwerk Djerdap an der Grenze zu Rumänien fuhr schon vor Tagen seine Leistung runter, nachdem der davor liegende Stausee bis auf die Mindesthöhe geleert wurde. Dadurch soll das höhere Donauwasser aufgenommen werden können. Der Wasserpegel im Stausee lag laut Medienberichten so niedrig, dass sich die Ruinen des beim Bau des Kraftwerkes in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts überschwemmten Siedlungen abzuzeichnen begannen.

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Bosnien gedachte am Dienstag der Überschwemmungsopfer. Auch in der Teilrepublik Srpska wurde der Trauertag abgehalten. In der Entität starben 17 Menschen, die meisten in der nordöstlichen Stadt Doboj. In der Bosniakisch-Kroatischen Föderation kamen mindestens sieben Personen ums Leben. Der Sachschaden muss sowohl in Serbien als auch in Bosnien noch genau beziffert werden. Ersten Schätzungen zufolge dürfte er jedoch eine Milliarde Euro übersteigen. In Bosnien-Herzegowina ist laut offiziellen Angaben etwa ein Viertel der Bevölkerung von der Katastrophe betroffen. Rund eine Million Menschen sind ohne Trinkwasser, Tausende sind nun ohne Obdach und auf der Flucht.

Eine Million aus Österreich

Die österreichische Bundesregierung hat am Dienstag beschlossen, Bosnien-Herzegowina und Serbien mit einer Million Euro nach der Hochwasserkatastrophe zu helfen. Der Beschluss wurde am Dienstag im Ministerrat gefällt, die Mittel stammen aus dem Auslands-Katastrophenfonds. Sie sollen österreichischen NGOs zur Verfügung gestellt werden.

Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hat am Dienstag die Abgeordneten zum Spenden aufgerufen. "Auch wir sollten unseren Beitrag zur Linderung des Leids der Betroffenen leisten", so Prammer. Entsprechende Boxen stehen laut Parlamentskorrespondenz während der kommenden Tage im Couloir des Sitzungssaals.

Im Rahmen der vom Innenministerium koordinierten Soforthilfe waren 46 Mitglieder der österreichischen Wasserrettung sowie der Landesfeuerwehrverbände Wien, Niederösterreich und Salzburg in Bosnien-Herzegowina im Einsatz. In Serbien waren 57 Feuerwehrleute der Landesfeuerwehrverbände Salzburg, Oberösterreich und Kärnten tätig. Die Einsatzteams sind mit Booten, Pumpen und Versorgungsfahrzeugen ausgestattet. Im Rahmen des österreichischen EUFOR-Kontingentes stehen in Bosnien-Herzegowina Hubschrauber des österreichischen Bundesheeres im Einsatz.

Ein aus 50 Einsatzkräften aus Kärnten, Tirol, Wien, Salzburg und Niederösterreich bestehender Wasserrettungszug, der im Nordosten Bosniens im Katastropheneinsatz war, wird am Dienstag nach Österreich zurückkehren. Laut einer Aussendung des Wasserrettungs-Landesverbands Kärnten wurden 200 Menschen gerettet. Außerdem wurde das Quartier der Einsatzkräfte, eine Volksschule in der Stadt Orasje, überflutet und musste geräumt werden. Am Dienstag wurden wieder Spezialisten der Wasserrettung angefordert. Daher werden im Laufe des Tages zwölf "Fließwasserretter" aus Kärnten, Tirol und Salzburg in das bosnische Hochwassergebiet fahren, um die Feuerwehren dort zu unterstützen.

Die Folgen der seit Wochen andauernden Regenfälle am Balkan sind längst nicht absehbar. In Medienberichten war von mehr als 40 Opfern in Bosnien und Serbien die Rede. Dass sich diese Zahl erhöhen wird, liegt angesichts der katastrophalen Lage auf der Hand (siehe YouTube-Video). Hinzu kommen Seuchengefahr und aus dem Erdreich ausgeschwemmte Landminen, die noch vom Jugoslawien-Krieg in den 90er Jahren stammen (mehr dazu siehe hier). Die Hochwassergefahr ist auch weiterhin aufrecht, Schutzdämme brachen am Dienstag (siehe unten).

Eine beispiellose Hilfsaktion starteten Darko Markovic und Ahmed Husagic. Die beiden in Wien lebenden Bosnier ergriffen angesichts der Lage in ihrer Heimat, sowie fehlender Infrastruktur und Hilfseinrichtungen die Initiative. Ihre "Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien-Herzegowina ging am vorigen Freitag um 11 Uhr auf Facebook online und führte dazu, dass knapp eine Woche später ein Hilfskonvoi mit insgesamt 16 Sattelschleppern in das Krisengebiet fährt. Wie kann man einfach und schnell etwas bewegen, fragten sich die Initiatoren. Unter dem anfänglichen Motto "Mach ma was" wurde die Aktion logistisch und unterstützend vom Samariterbund übernommen. Die Hilfsorganisation verfügt über das nötige Know-How, um eine Aktion in dieser Größenordnung durchzuführen. Deshalb konnten die beiden heute stolz von insgesamt 350 Palletten voll mit Hilfsgütern berichten.

Video: Helikopteraufnahmen aus Bosnien

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250 Tonnen und 10.000 Euro

Begonnen hat das Ganze im 15. Wiener Gemeindebezirk, in den gemieteten Räumlichkeiten des Samariterbundes. Die Spendenbereitschaft war von Beginn an enorm, sagt Ahmed Husagic. Nicht nur Bosnier, sondern auch Österreicher folgten dem Spendenaufruf. Auch serbische Staatsbürger kamen in das Lager. Bis Montag kamen nebst den 250 Tonnen an Sachgütern und Lebensmitteln insgesamt 10.000 Euro zusammen.

Am dringendsten werden Lebensmittel, Trinkwasser und Decken gebraucht. Die Menschen wurden über Nacht von den Wasserfluten überrascht. Gebäude sind bis in die oberen Stockwerke überflutet, ganze Dörfer wurden unter den Schlammmassen begraben. Das Land ist auf Katastrophen dieser Größenordnung nicht vorbereitet, es gibt keine staatlichen Fonds und keine Hilfsorganisationen. Umso notwendiger ist die Initiative von Markovic und Husagic. Die Spendenaktion ist längst nicht zu Ende, der Hilfskonvoi, der sich am Donerstag in Richtung Bosnien bewegt, wird nicht der letzte sein.

Wenn Sie sich an der Hilfe beteiligen möchten, gibt es hier weitere Informationen:

Facebook-Initiative "Hilfsaktion für Flutopfer"

Arbeiter Samariter Bund Österreichs
IBAN: AT97 1200 0006 5412 2001
BIC: BKAUATWWDringend gebraucht werden Sachspenden wie haltbare Lebensmittel, Babynahrung, Werkzeug, Staubmasken oder Gummistiefel.

Weitere Spendenmöglichkeiten:

Caritas: Erste Bank IBAN: AT23 2011100001234560 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Hochwasser Südosteuropa

Diakonie: Erste Bank IBAN: AT85 2011128711966333 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Fluthilfe Südosteuropa

Hilfswerk Austria International BAWAG P.S.K. IBAN: AT71 6000 0000 9000 1002 BIC: OPSKATWW Kennwort: Hochwasser Bosnien

Verein hilfhelfen - pomozi.ba Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien und Herzegowina IBAN: AT642011182266475400 BIC: GIBAATWWXXX

Bauern helfen Bauern: Raiffeisenbank Grödig AT75 3801 8000 000 1 0900 IBAN: RVSAAT2S018 www.bhb.sbg.at